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P & C December 1998
- Face Music / Albi
- last update 03-2016
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- Beispiel 1: Tsam-Aufführung aus der Mongolei
Im Klosterinneren beginnt das Tsamfest mit einer rituellen Handlung für den Fruchtbarkeits- und Todesgott Yama bzw. Tshoijoo. Weder die Oeffentlichkeit noch die niedere Geistlichkeit werden hierzu zugelassen.
Zur gleichen Zeit werden die Vorbereitungen im Freien getroffen. Vor dem Kloster wird mittels Kalkstaub, Kreide oder Mehl ein kleiner und darüber ein grösserer Kreis gezogen. Letzterer ist die Grenze, welche die Zuschauer nicht überschreiten dürfen. Im Ring zwischen diesen beiden Kreisen sollen die Masken tanzen. Dann werden zwei weitere Kreise gezogen, innerhalb derer die Schwarzhutzauberer "Shanak" auftreten. In der Mitte des kleinsten Kreises wird ein Tisch aufgestellt, der mit einem Tigerfell und einer Seidendecke belegt ist. An den vier Ecken des Tisches werden Pfähle eingerammt, die Wimpel tragen. Dazwischen wird ein baldachinartiger Schirm mit einem farbigen Ueberhang gespannt. Auf den Tisch wird das Sor (eine aus Teig geformte Opfergabe), das der rituelle Angelpunkt des Spiels ist, gelegt. Das Sor ist bei den Mongolen von noch grösserer Bedeutung als bei den Tibetern das Linga (das Menschenopfer aus Teig).
Die Grösse des Sor schwankt zwischen einem viertel bis zu einem halben Meter. Es besteht aus einer hohen, dreieckigen und hohlen Pyramide, die aus Teig hergestellt wird und mit blutroten Verzierungen bedeckt ist. Mit einer Sichel werden auf den Aussenflächen allerhand Figuren wie Blumen, Kreise, feurige Zungen usw. modelliert, so dass das ganze Gebilde einem flimmernden Scheiterhaufen gleicht. An der Spitze wird ein gleichfalls aus Teig geformter Schädel angebracht und an den drei Ecken der Basis je ein Schädel vorgelagert. In die Mitte der Pyramide wird ein Pfeil gesteckt, der mit Grusstüchern, "Chadak", bedeckt ist und dessen Flugfeder das buddhistische Lebensrad darstellt. Das Sor wird dann ins Kloster getragen und dort mit brennenden Butterlämpchen, Weihrauchkerzen und vierundsechzig Teigkegelchen umgeben. Nun folgt das feierliche Ritual der Opferweihe. Zu diesem Zweck werden von Schwarzhutzauberern, den "Shanak", Bannformeln ("Tarni", das sind etwa vierzig vierzeilige Lobeshymnen) gesprochen, die bewirken sollen, dass sich alle Feinde des Lamaismus auf magische Weise sich in das Sor begeben und dort festgehalten werden.
Anschliessend wechselt der Tee- und Küchenmönch alle vierundsechzig Teigkegelchen untereinander aus, indem er dabei kreisförmige Bewegungen ausführt. Jetzt werden die Lobpreisungen wiederholt. Nun beginnt das Orchester zu spielen, das Sor wird in einer feierlichen Prozession ins Freie getragen und auf das vorbereitete Podest abgesetzt. Angeführt wird die Prozession von Mönchen mit Räucherkerzen in der Hand, dann kommt einer, der ein Teigkegelchen als weitere Opfergabe für den "Hüter der Stätte", für welchen das Tsam-Spiel aufgeführt wird, trägt. Diesem Mönch folgt ein anderer, der ein Gefäss mit Weihwasser in der Hand hält. Der letzte ist der Mönch, der das eigentliche Sor trägt.
Jetzt kann der Maskentanz beginnen. Zuerst erscheinen auch hier die "Herren des Leichenackers" genannt Khokhimoi. Ihnen folgt der Rabe "Keriye", der die Opfergabe zu berühren versucht. Die "Herren des Leichenackers" (auch Meister des Friedhofes oder Totenmasken genannt) hindern den Raben daran und schlagen ihn. Der Rabe gilt als "unrein" und könnte durch seine Berührung die Opfergaben entweihen. - In der Mythologie hat der Rabe aber auch die Bedeutung eines Wahrsagers, oder er ist der Götterbote.
Das Orchester spielt schneller, und nach seinem Verstummen betritt bei einigen Spielen der Argham-Lama (Zeremonienmeister) die Szene. Er hält eine mit Ziegenblut gefüllte Menschenschädelschale in einer Hand und eine mit Körnern bestreute und mit vier kleinen Teigkegelchen besetzte Mandalascheibe in der anderen. Der Lama führt einen Tanz auf und giesst dann das Blut unter dem Ruf "Argham" über das Mandala. Das ist das Zeichen für die nicht sichtbaren Götter, dass sie nun erscheinen und am Tsam teilnehmen sollen. Anschliessend wird das Sor auf den Tisch inmitten des Innenkreises gestellt. Jetzt tanzen die "Herren des Leichenackers", werfen sich ihre Stäbe zu und umkreisen sechsmal das Sor, um sich schliesslich zu beiden Seiten des Sors aufzustellen. (Manchmal stellen sich auch zwei Recken zur Bewachung des Sor auf, da der Rabe laufend versucht, dieses zu erhaschen).
Die nächsten auftretenden Masken sind die Adsaras (geistliche Lehrer). In der Nähe des Klostertores führen sie ihre Tänze und Spässe auf, doch betreten sie den inneren Tanzkreis nicht. (Bei gewissen tongutischen und mongolischen Stämmen stellen diese Masken wilde Männer, Urbewohner des Landes dar, die aus Hammelknochen rauchen, was in der lamaistischen Kirche eigentlich verboten ist.)
Nun erscheint die Maske des "Raddrehers", des Vertreters der weltlichen Macht - er gilt als Herrscher von Indien -, gefolgt von seiner Gattin und seinem Sohn oder zwei Recken (letztere werden auch manchmal von zwei Atsara-Masken dargestellt). Diese streuen Blumen beim Auftritt des Herrschers. Ihm und seiner Familie wird ein Ehrenplatz ausserhalb des inneren Tsamkreises zugewiesen.
Hornstösse verkünden das Auftreten einer neuen Maske. Es wird der "Herrscher von Kaschmir" oder seine Wiedergeburt. Er wird von seinen sechs Söhnen begleitet, die Musikinstrumente tragen. Diese Masken gehören zu den heiteren. "Kashin Khan" (Herrscher von Kaschmir) ist bei den Mongolen der Kubilai Khan derjenigen Fürsten, die den jeweiligen Buddha des Zeitalters gastlich aufzunehmen haben.
Diese Maske ist eine andere Darstellung des chinesischen Mönches "Hoschang" - der wohlbekannte Dickbauch-Buddha mit seinen Kindern -, der am Hofe des Kaisers von China die Kinder betreute.
Unter dem Klang von Becken und Gangling (Menschenknochenflöten) erscheinen die Schutzgötter, die Zamindi, (mongolisch: Idam = Beschützer) mit ihren Trabanten. Mit ihnen beginnt der eigentliche Tanz. Unter den wilden "Beschützern der Religion - Guugor" sind auch die dauernden Begleiter des Herrschers der Toten, des wilden Höllenfürsten, mit seinen Trabanten (Podschud), die ausserhalb der beiden Tanzkreise vor dem Sor zu tanzen beginnen. Vor diesen Masken werden von den Atsara-Masken Blut und Blumen als Ehrbezeugung ausgeschüttet bzw. ausgestreut.
Nun erscheinen die Diener des Totengottes, nämlich eine Büffelmaske Bukh oder eine Stiermaske Makhi und die Hirschmaske Shiva. Sie tanzen ebenfalls unter dem Schirm. Von den "Schreckensgöttern", die das Nahen des Herrschers der Unterwelt anzeigen, erscheinen (bei verschiedenen Spielen in jeweils unterschiedlicher Reihenfolge) der Dämonenfürst, das ist der "Grosse Schwarze", genannt Gombo (Mahäkäla), der "Donnerkeilträger - Otschirvaani", welcher jedoch nicht immer auftritt, der "Gott des Reichtums", Namsrai genannt, und andere mehr.
Dann erscheinen die Trabanten der Todesgöttin, die sogenannten "Himmelswandlerinnen". Dazu gehören die "Herrscher über Hindernisse", der Tiger Bar und der Löwe Sendom. Sie säubern für ihre Herrin, die nun bald erscheinen wird, den Weg von Dämonen.
Schliesslich kommt Lkham (Käli - Lhamo), die Gattin von Yama, dem Tode selbst. Die Mongolen nennen sie "die jungfräuliche Göttin". Ihr folgt der grauenhafte "Kriegsgott" Jamsran, der von seinen acht Trabanten (Selmechi), den "Messerhaltern" oder "Schwertträgern", angekündigt oder begleitet wird. Sie haben die Leichen der Toten zu zerstückeln.
Jetzt wird ein lustiges Zwischenspiel eingelegt, in welchem die Maske des Old White Man (der Weisse Alte) auftritt. Manchmal wird das alte Männchen auf einem Teppich in die Szene getragen und vor dem Tisch mit dem Sor abgesetzt, manchmal kommt der gebrechliche Alte auch in den Spielkreis gehumpelt. Manchmal geben ihm die "Herren des Leichenackers" Wein zu trinken, worauf der Alte schwerfällig zu tanzen beginnt, und manchmal wird er von den jungen Trabanten des "Herrscher von Kaschmir" geneckt. Immer jedoch reichen ihm die "Atsaras" ein Fell, selbst das vom Opfertisch, und dann beginnt der Alte ein harmloses Spiel mit ihnen.
Hier schliesst sich oft eine sehr eindrucksvolle Szene an. Unter furchtbarem Geheul erscheinen die "Schwarzhutzauberer" (Schanak). Sie tragen die Tracht der Bonpriester, aber keine Maske. Sie stellen die "Fünf Könige" (Tabun Khan) vor, welche für alle Zeiten geschworen haben, die Religion zu beschützen. Das Besondere dabei ist, dass sie sich in Ekstase befinden, besessen von der Gottheit. So erklärt sich das Herausquellen ihrer weit aufgerissenen Augen aus blaurotem und geschwollenem Gesicht. Die in diesem Zustand gefährlichen Tänzer werden von Mönchen begleitet, welche auf sie aufpassen.
Nach jedem Auftritt steigt die Spannung, bis sie ihren Höhepunkt erreicht, wenn der "Herrscher der Toten und der Unterwelt" in seiner riesigen und furchterregenden Maske erscheint. Vor ihm wird der Boden besonders ausgiebig mit Blut bespritzt. Der Totenherrscher tanzt feierlich und eindrucksvoll im Mittelpunkt des Tanzkreises. Auch einer der Tee- und Küchenmönche erscheint wieder und trägt das Linga (Menschenopfer) aus dem Kloster heraus. Es ist eine etwa in der Grösse eines fünfjährigen Jungen geformte Figur aus Teig. Es ist das Symbol für alle Feinde des Lamaismus und gleichzeitig für alle Sünden der Gläubigen, die am Tsam teilnehmen. Die Mönche rezitieren das Opferritual. Unterdessen tanzen Tshoijoo und Jamsran (der Kriegsgott) sowie deren Trabanten um das Linga. Danach beginnt das grosse dreiteilige Gebet. Im ersten Teil werden die "wilden" Gottheiten angerufen. Im zweiten die achtzehn Wünsche ausgesprochen, dass sich alle Feinde des Lamaismus in Staub und Asche verwandeln mögen. Daraufhin beräuchert der Küchenmönch das Linga mit unangenehm riechenden Räucherstäben. Dazu wird der dritte Teil des Gebets gesprochen.
Damit beginnt das symbolische Menschenopfer, das in früheren Zeiten vermutlich nicht nur symbolischer Natur war. Entweder die "Messerhalter", die Trabanten des Kriegsgottes, oder er selber oder der Totengott schneiden das Opfer nun in zwölf Stücke, gemäss den zwölf Verwünschungen der Mönche. Es gibt auch Spiele, in denen die Hirschmasken diese Rolle übernehmen. Sie zerreissen das Opfer mit ihrem Geweih und werfen die Teile in die Menge, welche sie entweder verschmäht, oder wie bei einigen Stämmen (vorab in Tibet) erhascht und isst.
Nun stellen sich zum letzten Mal alle Masken zum Tanz auf, indem sie zwei Kreise um das Sor und das Linga bilden. Im äusseren Kreis tanzen die Schwarzhutzauberer oder die Trabanten der Schutzgottheiten, im inneren diese selbst. Dabei nähern sich die Masken dem Kloster und verschwinden schliesslich darin. Die Schwarzhüte bilden den Abschluss des Zuges.
Die Mönche hatten sich schon vorher von ihren Plätzen erhoben, um den letzten Teil des Opferrituals zu lesen. Jetzt bilden sie einen Prozessionszug und tragen das Sor aus dem Klosterhof in die Steppe hinaus. Dort ist inzwischen ein Scheiterhaufen errichtet worden.
Die rezitierenden Mönche bilden den Schluss des Zuges, während einige niedere Mönche mit Weihrauchgefässen ihn einleiten. Dazwischen gehen einige Musikanten und der Küchenmönch mit dem Sor. Am Scheiterhaufen angekommen, übernimmt der ranghöchste Mönch das Sor, wirft die vierundsechzig Teigkegelchen in die Steppe und beginnt das Verbrennungsgebet zu sprechen. Dabei hebt er das Sor in die Höhe und schwenkt es kreisförmig über seinem Kopfe. Dies wird dreimal vollzogen, bevor er es dem Feuer übergibt und dabei wieder betet.
Die Mönche kehren nun ins Kloster zurück. Nur der Küchenmönch bleibt, bis auch die letzten Reste des Sor verbrannt sind. Manchmal dauert der Tanz der Masken so lange an, bis die Mönche vom Scheiterhaufen zurückkommen und sich dann alle zusammen ins Kloster zurückzubegeben.
P & C Face Music - Ulaanbaatar, September / Oktober 1999 - Albi
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