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P & C December 1998
- Face Music / Albi
- last update 03-2016
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Überarbeiteter Auszug aus einer Zusammenstellung von Dr. Ulla Johansen, Die Ornamentik der Jakuten,
publiziert in Hamburg 1954 vom dortigen Museum für Völkerkunde als Wegweiser zur Völkerkunde; heute vergriffen. |
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Below you can see great examples - click on an icon (text) - Enjoy!
© Albi - Face Music 2012
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Einleitung
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Viele Motive wie dieses "Lyra-Motiv" tauchen unter Funden aus vorchristlichen Epochen der sibirischen Geschichte auf (2000 bis 3000 v. Chr.). Es wurden Gegenstände der gleichen Art gefunden, in ähnlicher Technik verarbeitet. Es scheinen hier also Ableitungen möglich.
Vergleichbare vorgeschichtliche Funde, die um den Baikalsee zutage kamen, können wahrscheinlich den Vorfahren der Jakuten zugeschrieben werden, den Quryqan (Ruan Ruan Juan Juan), die zeitgleich mit den Hsiung-nu im Altai siedelten. Vor allem die Reste der Keramik geben Aufschluss. Die Ornamente sind an Töpfen in gleicher oder ähnlicher Form mit der gleichen Technik angebracht. Die Motive sind hier auch das Dreieck, das Zickzackmuster, das Kammmuster und das mit Fingernägeln eingedrückte Bogenornament. In Form und Ornament lassen sich auch die jakutischen Kumysbecher mit so genannten „Skythischen Kesseln“ der Epoche des Tierstil vergleichen, die der Tagar- und Pazyryk-Zeit am Jenissei (900 bis 200 v. Chr.) zugeordnet werden und die ebenfalls zum Kulturgut der europäischen Hunnen (der Schwarzen Hunnen) gehören. Mitte des 1. Jahrtausends n. Chr. kommt das Gefäss noch bei den Kirgisen vor, in der Zeit vom 5. bis zum 9. Jahrtausend n. Chr. nur noch im südlichen Altai.
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- Hsiung-nu Xiongnu: 3. Jahrhundert v. Chr. bis 4. Jahrhundert n. Chr.
- mehr Informationen, auch zu diesen Altaistämmen - Hsiung-nu - Xiongnu
- Skythen (Saken Sauromaten Massageten): 8. bis 3. Jahrhundert v. Chr.
- Tagar Kultur vom 9. bis 6. Jahrhundert v. Chr.
- Pazyrik Kultur vom 6. bis 2. Jahrhundert v. Chr.
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Die Ornamente setzen sich mehrheitlich aus geometrischen Motiven zusammen. Die Bedeutung, die die Ornamente damals hatten, lässt sich heute schwer feststellen. Zweifellos müssen die Verzierungen in einer gewissen Beziehung gestanden haben, die auf einen religiösen Ursprung hindeuten.
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Die Jakuten
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Das Turkvolk der Jakuten lebt in der heutigen Autonomen Republik Sakha (Jakutien) im fernöstlichen Sibirien. Sein Territorium erstreckt sich vom Süden beginnend durch das Aldanhochland und das mittelsibirische Bergland im Westen entlang dem Fluss Lena am Werchjanskergebirge und dem Tscherskigebirge vorbei bis zur Kolyma-Tiefebene im Nordosten und schliesslich zum Polarmeer. Die Lebensbedingungen der Jakuten sind ausserordentlich hart, da die dortige Vegetationsperiode nur einen kleinen Teil des Jahres einnimmt. In nur 60 bis 100 Tagen geniessen sie einen kurzen Sommer mit Temperaturen über 5 Grad Celsius, so dass das Land bis auf ein kleines Stück im Süden in die Zone des Dauerfrostbodens (Permafrost) gehört.
In einer ihrer Sagen erzählen die Jakuten, dass ihr Schöpfer, als er die Erde erschuf, einen Gesandten mit einem Sack voller Reichtümer über Sibirien schickte. Als dieser das Gebiet am nördlichen Polarkreis überflog, sollen ihm vor Kälte die Finger steif geworden sein, so dass er alles fallen liess. Reichtümer wie Gold, Silber und Platin fielen auf die Erde. Aus Zorn über diesen Verlust strafte der Schöpfer die Region nun mit ewigem Winter.
Den grössten Anteil hat die Taiga, deren Baumbestand gegen Norden immer spärlicher wird, um schliesslich im äussersten Osten und hohen Norden der baumlosen Tundra Platz zu machen. In den südlichen Gebieten wird in der Gegenwart Ackerbau und auch Viehzucht betrieben. Früher waren es Pferde und Rinder; im hohen Norden wird auch Rentierzucht betrieben. Rohstoffe, die zur Verarbeitung im Kunsthandwerk gefunden wurden, waren Holz und tierische Produkte, Raseneisenstein (Raseneisenerz), feuerfester Ton und über Münzen eingeführtes Silber.
Die Einwanderung der Jakuten ins Tal der Lena stellte eine der letzten Migrationen von Turkstämmen aus Zentralasien dar. Im Gegensatz zu allen anderen Turkvölkern folgten die Jakuten nicht den südlichen oder westlichen Routen, sondern wanderten nach Nordosten. Ihre Wanderbewegung setzte im 12. Jahrhundert ein, aus der südlichen Region des Baikalsees Richtung Norden, zu einer Zeit, als gerade die Mongolenclans ihren Machtbereich über den Altai hinaus ausdehnten. Ihre ursprünglichen Siedlungen werden am oberen Jenissei vermutet, da ihr Kunsthandwerk viele Parallelen zu diesen Stämmen aufweist. Ein Zusammenleben mit anderen hier schon länger ansässigen Völkern ergab sich nicht immer ganz natürlich. Die Jakuten siedelten hauptsächlich in den feuchten und fruchtbareren Ebenen des grossen Lena- und Aldanbogens, am Fluss Wiljui und an den Nebenflüssen dieser Ströme. Im Norden besetzten sie nur die feuchten zugänglichen Flusstäler. Die ansässigen Tungusen (Ewenken, Ewenen) mussten sich in die Berge zurückziehen, hier war ein Leben für sie noch möglich, weil sie sich fast ausschließlich von der Rentierzucht ernährten, ebenso wie Reste der Jukagiren in diesem Gebiet, die heute fast ganz ausgestorben sind. Sie sind eines der ältesten und heute zugleich das kleinste Volk in diesem Raum. Sie haben sich bereits in der Jungsteinzeit hier im Nordosten angesiedelt. Die Taiga-Jukagiren am Oberlauf der Kolyma und die Tundra-Jukagiren nördlich des Polarkreises lebten als Rentierzüchter und Pelztierjäger. Später, in der Eisenzeit, wanderten die Ewenen, gefolgt von den Ewenken, in diesen Raum vor. Beide gehören der tungusischen Völkergruppe an und waren ursprünglich ebenfalls Nomaden. Sie betrieben im hohen Norden Rentierzucht und waren Pelztierjäger. Im südlichen Teil arbeiteten sie als Pferde- und Rinderhirten. Man darf aber nicht übersehen, dass es sich dabei um Rückzugsgebiete handelte, in die diese Minderheiten von den sich stark vermehrenden Jakuten gedrängt wurden. Sagen der Jakuten und der Tungusen erzählen von Kämpfen, die früher stattfanden. Viele sind heute völlig „jakutisiert“, darunter die tungusischen Dolganen. Alle tungusischen Völker mussten sich in den letzten zwei Jahrhunderten in die höheren Gebirgsländer zurückziehen und leben nun friedlich nebeneinander.
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- Uralic group Ugric people: Khants (Khantys), Mansis, Samoyedes (Nenets, Enets, Nganasans) and Yukaghirs
- Altaic group Turkic: Yakuts (Sakha), Tuvinians, Khakas, Altaians (Oirates, Teleutes, Telengites),
Uyghurs, Mongolic and Tungusic people (Evenks - Evens)
- Paleosiberien group: Ainu, Koryaks, Itelmens (Kamchatkan), Chukchee (Tshuktshen)
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- Arbeit zu den Ureinwohner, kleinen Völker Sibiriens folgt zur Zeit in Arbeit!
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Neuzeitliche archäologische Funde zeigen Parallelen zu den Burjaten und den Altaiern. Obwohl der Wortschatz auch ältere völkerkundliche Forschungen aufzeigt, ist eine Zugehörigkeit zur tungusischen (ewenkischen) Gruppe eher belegbar. Im Laufe des 14. Jahrhunderts wurde deren grösster Teil stark „turkisiert“. Heute wird das Jakutische zu den Turksprachen gerechnet. Beim Vergleich der mitochondrialen DNS von Jakuten mit der anderer eurasischer Völker zeigt sich eine hohe Übereinstimmung mit den Ewenken, die zum Teil das selbe Gebiet besiedeln, und auch mit den in Südsibirien am oberen Jenissei lebenden turksprachigen Tuwinern. Die jakutische Gesellschaft gliederte sich traditionell in Adel (Führer), Freie und Sklaven. Sie lebten als Jäger, Fischer und zu einem sehr geringen Teil als Bauern bzw. Rentier- oder Pferdezüchter.
Seit der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg haben sich die Bevölkerungsteile sehr zu Gunsten der Russen verschoben. Die Schürfung des grossen Goldreichtums in den Gebieten am Oberlauf der Kolyma und im Aldan-, Vitim- und Patoma-Flussgebiet rief zahlreiche Arbeitskräfte ins Land. Diese jüngste Entwicklung muss bei der Erläuterung der Ornamentik nicht berücksichtigt werden, da die Materialien aus früheren Perioden stammen. Um die Ornamente der Jakuten noch besser zu verstehen, muss auch Ihr damaliges Weltbild beschrieben werden, da viele Motive und Symbole in dieser Zeit ihren Ursprung haben.
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Den Kosmos als Ganzes teilen die Jakuten in eine obere, eine untere und eine mittlere, von Menschen bewohnte Welt. In der Oberwelt, die sie sich mit sieben Himmelsschichten ausgestattet vorstellen, hält sich vor allem der weisse Schöpferherr „Ürüng Ajy Tojon“ auf, auch einfach „Tangara“ genannt, Himmel oder Himmelsgott. Die Unterwelt hingegen wird von „Arsan Duolai“ beherrscht. Die übrigen Geister leben in der mittleren oder unteren Welt, zwischen denen es keine exakte Trennung gibt. Eine moralische Wertung von Gut und Böse oder ewige Vergeltung war dem jakutischen Denken fremd. Auch pflegten die Geister der einzelnen Ebenen keinerlei Beziehungen zueinander, sondern ein jeder regierte als selbstständiger Herr in seinem Gebiet. Das ist mit dem Animismus anderer Völker vergleichbar. Verstanden werden darunter eine beseelte Natur und Praktiken in Schamanismus und der Heilung von Kranken. Es sind Parallelen zu Turkvölkern im Sayan-Altai-Gebirge und zu den Mongolen vorhanden, was auch für die Ornamentik gilt. Seit vorchristlicher Zeit gründet das Kulturgut auf einem Dualismus, der Vater Himmel und Mutter Erde kennt und sich in der Denkweise kaum vom chinesischen Yin-Yang-Prinzip unterscheidet. Yin ist die Erde und Yang der Himmel.
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- Weitere Informationen über die Religion der Urvölker Sibiriens und den Schamanismus finden sich: Religion der Urvölker Sibiriens und Schamanismus (Tengerismus) in der Mongolei
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Die Religion der Jakuten hat sich in ihrer animistischen Weltanschauung erhalten. Sie stellen sich die Natur und zum Teil auch Gegenstände als von einer Seele bewohnt vor, von einem Besitzergeist, dessen Rechte man achten muss und den zu beleidigen schlimmste Folgen haben könnte. Diese Geister werden „iggi“ (auch ongon = Geisthaus) genannt. Sie leben in Flüssen, auf Bergen oder in Schmiedwerkzeugen, und auch in der vergorenen Stutenmilch „Kumys“. Man opfert dem Geist der Berge oder dem des Feuers Rosshaar oder einem kleinen grauen Männchen einige Tropfen Butter. Auch im Menschen leben zwei Geister (Seelen), deren einer die physischen Vorgänge, der andere die psychischen verursacht. Letzterer verwandelt sich nach dem Tode in den Geist des Todes. Um sich vor seiner Verfolgung zu schützen, schnitzt man aus Holz menschenähnliche Figuren, in die der Schamane die Totenseele hineinzaubert, und packt sie in ein Birkenrindentäschchen. Man hängt diese sodann in einer Ecke des Hauses auf und bringt ihnen Opfer dar. Auch die Figur einer ehemaligen Schamanin, „Makyny-Kysa-Tynyraxtax Kägäi“, die seit ihrem Tode die Rolle einer Art Furie spielt, wird häufig dargestellt. Man schnitzt sie aus Holz und bekleidet sie mit Pelz. Wenn auch der Schamane ihren Geist in diese Puppe gebannt hat, so bleibt es doch gefährlich, dieses Idol zu berühren, das man nach Norden gerichtet auf den Balken über den Kamin zu stellen pflegt. Es könnte plötzlich der Zorn dieses Wesens, das man nicht beim Namen nennen darf, der Zorn dieser Puppe „Kys-Tangara“, der „jungfräulichen Göttin“, ausbrechen und Unheil verrichten. Über den Geist, der in jedem Ding steckt, erzählen sich die Jakuten ferner, dass er sich im Schatten zeigt, den er wirft.
Vermittler zwischen diesen Geisterwesen und den Menschen sind ihre Schamanen. Diese heilen die Krankheiten, handeln das Sühneopfer aus und senden es ihnen zu. Sie sind für das Gleichgewicht und die Einhaltung der Rituale innerhalb der Familie oder solcher Gemeinschaften verantwortlich. Ein Totemismus äusserte sich im Glauben daran, dass der Schamane Tiergeister hält, die ihm Hilfe bei Besuchen solcher Herrschaftsgebiete der Geister dienen, vor allem Vögel. Schamanen sind auch die Beschützer einzelner Familien. Ausserdem stehen dem Schamanen weitere unsichtbare Tiergeister, wie Stier, Hengst, Bär, Elch oder auch Adler zur Seite, mit denen er auch gleichzeitig sterben muss. Nicht alle Schamanen hatten gleich viel Macht und waren in der Lage, mit sämtlichen Geistern zu verkehren. Die mit dem Pferdetotem galten als die mächtigsten, weil neben dem Adler das Pferd als das vornehmste Tier angesehen wurde. Eine frühere Einteilung in schwarze Schamanen für chthonische (in der Erde wohnende dunkle) Geister und weisse für die himmlischen Wesen ist heute nicht mehr aktuell.
Aus dieser religiösen Gebundenheit erklärt sich nun, dass bei den Jakuten jede biomorphe Darstellung (lebendige, biomorphe Formen in der Skulptur) in der Kunst vermieden wurde, sei es in Form von Plastiken, Zeichnungen oder Ornamenten. Jede realistische Form eines Menschen oder Tieres könnte nämlich zum Leben erwachen und sich als übler Dämon gegen den Erzeuger oder seine Umgebung wenden. Ausnahmen bilden realistisch geformte Tiere, die am Schamanenkostüm befestigt sind. Sie gelten wirklich als lebendig. Sogar Spielzeugkühe werden somit schematisch und unrealistisch dargestellt: ohne Beine, Schwanz oder Kopf, so dass sie vorerst nicht als solche zu erkennen sind. Die Fähigkeit, nach der Natur zu zeichnen, war den Jakuten nicht eigen. Es ist aber erstaunlich, wie einfach ihre Zeichnungen gegenüber der hoch entwickelten Ornamentik wirken. |
Nebenstehend eine Abbildung einer Zeichnung mit einem Schamanen und seinem Vogel neben einer siebenästigen Birke, die bei den Jakuten als Himmelsleiter galt.
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Den Jakuten war eine realistische Darstellung fremd, sie diente auch nicht der Zierkunst.
Jedoch fanden die Jakuten Gefallen an harmonischen, gleichmässig ausgeführten, völlig abstrakten Ornamenten, die ihnen als höchste Kunst erschienen. Auf diesem Gebiet haben sie sich zur höchsten Vollendung entwickelt. Sie empfanden ein ausserordentliches Bedürfnis nach Symmetrie, das auch bei anderen sibirischen Völkern bestand. Jedoch fertigten nur paläosibirische Völker, wie auch die Eskimos und Keten, am Jenissei sehr anschauliche Zeichnungen an, die hier aber keine Beachtung finden.
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- Keten (Keto) Eigenbezeichnung ket („Mensch“) oder deng („Leute“, „Volk“); historische Bezeichnung: Jenissei-Ostjaken sprechen eine paläosibirische Sprache.
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In der Neuzeit aus Mammutelfenbein gestaltete Gegenstände mit figürlichen Darstellungen können demnach mit Sicherheit als nicht eigenständig bezeichnet werden. Ausser diesen Erzeugnissen gibt es keine anderen Figuren, die profanen, eben ungeweihten Zwecken dienen.
Sprache: Die Jakuten sind die nördlichste türkisch sprechende Volksgruppe. Als türkisch bezeichnet man sie deshalb, weil der Bau ihrer Sprache und ihres Vokabelschatzes einer sehr alten Form des Türkischen entsprechen, während ein Teil mongolische Ursprünge aufweist und auch aus tungusischen, samojedischen und jukagirischen Ausdrücken oder solchen gänzlich ungeklärter Herkunft besteht. So aussergewöhnlich wie ihre Sprache erscheint auch ihre Wirtschaftsweise als Pferdezüchter, die bei den tungusischen und paläosibirischen Nachbarn nicht üblich war.
Herkunft: Eine Einwanderung der Jakuten vom Süden ist nicht wieder angezweifelt worden. In zwei Wellen wurden sie von der Baikalregion in das Gebiet der Lena gedrängt. Völlige Gewissheit in dieser Frage brachten erst Ausgrabungen, die weitgehende Übereinstimmungen zwischen Töpfereierzeugnissen der Bevölkerung, die dort bis zum Ende des ersten Jahrtausends gewohnt haben muss, und jakutischen Produkten zeigte. Die jakutische Ornamentik gehört zu einem Sajan-Baikal-Lena-Kunstkreis. Dieser trennt sie ausdrücklich von der Kunst der Nachbarvölker. Unterschiede zeigen sich am deutlichsten in der Spiral- und Pflanzenornamentik. Ihre Migration in dieses nördliche Gebiet wird in der Zeit vor der mongolischen Expansion vermutet, weil in der burjatischen Folklore zahlreiche Erinnerungen an Dschingis Khan erhalten blieben und die Jakuten davon nichts wussten. Tatsächlich stammt die erste geschichtliche Kunde eines Vordringens der Burjaten in die Baikalregion aus dem 12. Jahrhundert n. Chr., d.h. offenbar im Zusammenhang mit und unmittelbar vor Dschingis Khans Regierungsantritt. Demzufolge dürfte eine erste Welle einer Verdrängung der Jakuten aus dem Baikalraum mit dem 9. Jahrhundert n. Chr. begonnen haben. Sie siedelten ursprünglich am oberen Jenissei. Beweise für diese Ansicht finden sich in der Ähnlichkeit der schon sehr früh bekannten „tatarischen“ und der jakutischen Sprache und der Gleichheit vieler Kulturelemente dieser Altaivölker. Ihre Selbstbezeichnung „Sacha“ glaubt man auf Reste türkischer Völkerschaften am oberen Amur und der Selenga zu sehen, die sich „Sagaj“, „Sachaz“ oder „Socha“ nannten. Aus denselben Gründen will man sie auch zu Bewohnern der Dzungarei betrachten, da es damals schon einen Stamm der „Socha“ gegeben hatte. Die Jakuten waren aber immer ein einheitlicher Volksstamm, der wahrscheinlich aus dem Sajan-Altai-Gebrige verdrängt wurde.
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Vorfahren der Jakuten sehen die russischen Forscher in den westlich und südlich des Baikal ansässigen Quryqan (Ruan Ruan Juan Juan), die die chinesichen Quellen als „Ku-li-kann“ bezeichnen, einem türkischen Volk, das vom 6. bis 9. Jahrhundert n. Chr. nördlich des Osttürkischen Reiches lebte und dessen Name auch in den Orchon-Runen des 8. Jahrhunderts n. Chr. vorkommt. Nach deren Ansicht wurde mit der Ausdehnung des Machtbereiches der Kitan (1) Anfang des 9. Jahrhunderts n. Chr. der grösste Teil der Quryqan nach Norden verdrängt. Diese plötzliche Abwanderung lässt sich durch die Grabbeigaben belegen. Ein kleiner Teil blieb im Lande, unterlag einer ersten Mongolisierung durch die Kitan und wurde nach dem Eindringen der Burjaten von deren Volksstamm aufgesogen. Diese Theorie ist deshalb sehr wahrscheinlich, weil die Burjaten in kleinen Horden in ihr heutiges Gebiet eindrangen. Hätten sie die noch geschlossene, hier ansässige Masse der Jakuten vorgefunden, so wären sie als die zahlenmässige Geringeren zweifellos unterlegen gewesen. Diese langsame Einnahme konnte nur geschehen, weil das Land eine relativ spärliche Besiedlung aufwies. Die im 9. Jahrhundert n. Chr. vordringenden Kitan dagegen bildeten eine kriegerische Macht, der es ohne Weiteres gelingen musste, die Jakuten zu vertreiben. Gewisse Ähnlichkeiten der Kulturen der Burjaten und der Jakuten erklären sich daraus, dass diese zum Teil gleiche Vorfahren haben mussten. Das Eindringen der Quryqan fällt in die Eisenzeit, also den Beginn unserer Zeitrechnung, wie vorgeschichtliche Funde bezeugen. Über ihren Wohnsitz vor dieser Zeit weiss man nichts Genaueres. Diese Erkenntnisse leuchten ein, weil die Burjaten nicht töpferten. Die Quryqan hinterliessen Zeugnisse einer Töpferei, die der jakutischen auffallend gleicht. Dieses Kulturelement verbindet sie auch mit den anderen türkischen Völkern des Altai im 6. bis 8. Jahrhundert n. Chr., die ebenfalls im Gegensatz zu ihren hochentwickelten Metallarbeiten sehr grobe Töpferei produzierten (2). Die Quryqan gehörten politisch zu einer Gruppe türkischer Völker im Altai mit dem gemeinsamen Namen „Tu-lu“ oder „Tölis“, wie sie in den Orchon-Schriften genannt werden. Das erste Mal werden sie in den chinesischen Quellen anlässlich ihrer Kämpfe mit den Türk (t'u-chüeh), einer anderen türkischen Völkergemeinschaft dieses Gebietes, im Jahre 552 oder 553 n. Chr. erwähnt. Kulturell ähnelten diese Quryqan und die Völker im Altaigebiet, mit denen sie in Verbindung standen, in vieler Hinsicht den heutigen Jakuten. Sie trugen Pelze und Wollkleidung. In der totemistischen Deutung genoss das Pferd höchste Wertschätzung. Aus der Stutenmilch bereiteten sie Kumys. Wie die heutigen Altaivölker hängten sie die Köpfe geopferter Schafe und Pferde auf Stangen und verehrten Himmel und Erde. Ihre Gesellschaft war nach Klassen gegliedert. Ebenso besassen sie eine reiche Schmiedekunst, Pferde- und Rinderzucht und betrieben Ackerbau.
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- (1) Kitan oder Khitan: ein protomongolisches Volk aus der Mandschurei, das schon im 6. Jahrhundert n. Chr. existierte.
- (2) Töpferei: Bei Ausgrabungen, die vornehmlich von Petri nach dem Ersten Weltkrieg in der Umgebung von Irkutsk und am Koso-gol-See durchgeführt wurden, fand man erstmalig Töpfe der gleichen Machart mit den gleichen Ornamenten und schloss daraus, dass zumindest ein Teil davon den Jakuten zuzuordnen ist, die in dieser Gegend gelebt haben müssten, welche man heute dem Gebiet der Burjaten zurechnet. Diese Funde gehören der älteren Eisenzeit an. Im Neolithikum (Jungsteinzeit) dagegen waren die Töpfe dünner und für den Transport ungeeignet, woraus auf eine sesshafte Bevölkerung in dieser Gegend von damals geschlossen werden kann. Auch nicht ein einziges geometrisches Ornament dieser Ware weist Parallelen mit den jakutischen Töpferwaren auf. Dagegen fällt die Ähnlichkeit mit der Töpferei der Eisenzeit auf. Nicht nur Material, Herstellungstechnik und Ornamentik gleichen sich, die keramische Produktion muss sogar auch zu jener Zeit den Frauen überlassen worden sein, was man aus den auffallend kleinen Fingerabdrücken schließen kann. Solche Töpferwaren wurden auch im heutigen burjatischen Siedlungsgebiet am Oberlauf der Lena, im Tal der Silka und der Selenga gefunden und war sogar bis in die Mongolei verbreitet. Im Westen reichte das Gebiet dieser Keramik über das sajanische Gebirge hinaus bis zu den Osthängen des Talkessels von Minusinsk und in die Umgebung von Krasnojarsk. Südlich davon, im russischen Altai, stellte man bis ins 8. Jahrhundert n. Chr. keramische Produkte der gleichen Art her. Die Jakuten müssen demzufolge eine Gruppe von töpfernden Stämmen in diesen Gebieten gebildet haben.
Tokarev nimmt an, dass die Quryqan Vorfahren der Burjaten sein können, ohne aber näher darauf einzugehen. Es wird heute für fraglich gehalten.
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Völkervermischung: Durch eine relativ späte Einwanderung muss eine Vermischung mit den ursprünglich in den Lena-Gebieten ansässigen Völkern stattgefunden haben. Man findet zwei sich deutlich unterscheidende Typen: Mongoloide mit breitem Gesicht und flacher Nase und mehr turanid Wirkende mit langem Gesicht und einer schmäleren und weiter vorstehenden Nase. Diese ausgesprochene Zweiteilung kann nicht allgemein den europid wirkenden Dingling-Völkerschaften (1) zugeordnet werden, nachdem diese weitgehend mongoloide Elemente in sich aufgenommen hatten. Die Turaniden gehörten hauptsächlich zu der Oberschicht und den Anführern (Häuptlingen). Die Mongolide waren mehrheitlich Nomadenhirten (und Untertanen). Bis zum Eindringen der Türken bildeten noch die tungusischen Völker die Führungsschicht.
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- (1) Die Dingling waren ein Volk in Südsibirien. Sie lebten ursprünglich am Oberlauf des Flusses Lena, westlich des Baikalsees. Im 3. Jahrhundert vor Christus begannen sie sich nach Westen hin auszudehnen. Sie waren Teil des Reichs der Xiongnu (Hsiung-nu).
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- weitere Informationen zu den Stämmen siehe Geschichte der Reiternomaden
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Die Ornamentik
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Allgemein bestehen im historischen Überblick zum jakutischen Volk noch Unklarheiten, bleibt noch Vieles unbewiesen, was ihre geistige Kultur betrifft. Daher kann vorerst nur eine Beschreibung ihrer Ornamentik mit Hinweisen und Vergleichen zu anderen sibirischen Völkern versucht werden. Wenn es gelingt, den Symbolgehalt zu erkennen und anhand von Bodenfunden in weiter zurückliegenden Zeiten zu verfolgen, kann damit die geistige Kultur und ihre Vergangenheit erkannt werden. Wenn ein Motiv als heilig oder schutzwürdig gilt, findet eine sehr häufige Wiederholung statt, und diese trägt wiederum dazu bei, es zu einem dekorativen Schmuck werden zu lassen. So bildet die Ornamentik eines der eigenständigsten Elemente in der Kultur eines Volkes, das schwerer zu verändern ist als die Gegenstände der rein materiellen Kultur. So wird das Ornament zum wichtigen Zeugnis, wo schriftliche Quellen fehlen. Man findet in der Ornamentik Indizien von Völkerkontakten und Völkervermischungen, die oft sicherer und dauerhafter sind als anthropologische Merkmale oder die Sprache.
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- Die Ornamentik bei sibirischen Völkern wurde für die Ostjaken und Wogulen von finnischer Seite betrieben (Sierlius). Im ässersten Osten bei den Amurvölkern (Laufer), der Zierkunst der Kirgisen von Ryndin, die wichtigsten burjatischen Ornamente von Petri. Bei den Keten wurde sie von Anugin vorgenommen, bei den Altaiern von Anochin.
- Jochelson besuchte die Jakuten in den Jahren 1884 bis 1894 und 1900 bis 1902, und Sieroszewski verbrachte ebenfalls in diesem Zeitraum zwölf Jahre unter ihnen.
Die Metallverarbeitung wurde professionellen Schmieden überlassen. Andere Arbeiten auf verschiedenen Materialien wurden in Heimarbeit gefertigt, vor allem im Winter. Die Männer stellten mit dem Messer Holz- und Knochenschnitzereien her. Den Frauen wurden alle Nadel-, Fell- und Lederarbeiten überlassen, ebenso wie das Flechten, Leimen und Töpfern.
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- see more information about Ornaments of the Turk-Mongolian tribe (cloths, ceramics, handbags, tools etc.)
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Perlenstickerei: Diese Technik wird erst in jüngster Zeit angewendet, da diese bunten Glasperlen erst von den Russen eingeführt wurden. Sie ist auch bei den paläosibirischen und ugrischen Völkern beliebt. Am häufigsten wurden die Fellhosen der Frauen mit Perlen geschmückt, ebenso wie kniehohe Fellstiefel und bunte Käppchen. Mit Perlen besetzte Schmuckplättchen finden sich als Saum von Satteldecken und auf Taschen.
Buntstickerei: Das Material hierfür, meist nicht stark gezwirnte Seidenfäden, wurde von russischen oder chinesischen Händlern bezogen. Grundlagen bilden importiertes Wolltuch oder Sämischleder (Leder, das durch Gerben mit Gerbstoffen auf Basis oxidierbarer Fette hergestellt wird). Man kennt drei Zierstiche: den Stielstich, der wie ein einziger gezwirnter Faden aussieht, den Mossul- und den Janinastich, die wir als Hexenstich (Abb. 2) und Plattstich kennen. Der Stielstich dient vor allem dazu, die im Mossulstich ausgeführten Muster noch einmal zu umranden, oft sogar mit einer anderen Farbe (Abb. 3). Die Farben der ausgeführten Muster werden sehr harmonisch und dezent gehalten.
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In der Plattenstickerei wird hierzu der von den Russen eingeführte Silberfaden verwendet. Die Figuren des Musters, die in Pappe ausgeschnitten sind, werden mit Garn übernäht. Eigenartigerweise fehlt den Jakuten die allgemein verbreitete Tamburinstickerei (Tamburin nennt man einen Stickrahmen, über welchen der zu stickende Stoff gespannt wird), die für die russischen, chinesischen, kirgisischen und burjatischen Arbeiten so charakteristisch sind. Sie wurden am häufigsten in vorchristlicher Zeit angewandt, was Funde in Noin Ula in der Mongolei (Kurgane aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.) bestätigen. Auch der Steppstich war bei den Jakuten kein Zierstich. Bei dicken Wildleder- oder Fellstücken wurde das Material nicht ganz durchstochen. Nur bestimmte Gegenstände wurden ornamentiert, etwa grosse Packtaschen, Satteldecken und Teile von Sommerkäppchen, Pelzmützen und Fellhandschuhen. Anders als bei den Kirgisen wurden die Frauenmäntel nicht mit Stickereien geschmückt.
Birkenrindergefässe wurden mit Reifen aus Birkenholz mit einfachen Stichen übernäht (Abb. 4 und 5). Dies machte die Gefässe haltbarer, und die Nähte aus Rosshaargarn dienten zugleich als Schmuck.
Die dunklen, durchbrochenen Rindenstreifen bilden selbst die geometrischen Muster. Eine andere Art aus gestanzter Metallfolie von Teepackungen oder buntem Papier haben eine dekorative Wirkung. Solche Techniken dürften jedoch nicht einheimischen Ursprungs sein. |
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Applikationen, Textil und Fellmosaik: Bestimmte Formen aus Leder, Fell oder Stoff werden auf eine andersfarbige Grundlage aufgesetzt. Man klebt sie auf und hält die Ränder mit Stichen fest. Diese Form war bei den Jakuten nicht vorhanden, man fand sie in Noin Ula und bei den Pazyryk-Kurganen. |
Auch Mosaikmuster verwendeten sie. Diese entstanden dadurch, dass kleine Stücke von buntem Tuch mit der Schere ausgeschnitten und aneinander genäht wurden. Die Muster waren eckig, und um die hässliche linke Seite nicht zu zeigen bzw. auch zur Befestigung des Gegenstandes, nähte man die bunten Flächen als Ganzes an den Rändern auf Sacktuch auf. Noch abwechslungsreicher wurde es, wenn man einen schmalen Tuchstreifen einer dritten Farbe in die Naht einschob (Abb. 6).
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Genau in der gleichen Weise werden Fellmosaike hergestellt, allerdings stets ohne den Zierstreifen in der Mitte der Naht. Als Nähmaterial dienen feste Hanffäden. Zur Arbeit benutzte man kleine eiserne Ahlen mit einem Holzgriff. Die Arbeiten entsprechen den vollständig bekannten Mustern der paläosibirischen Fellarbeiten.
Derart verziert sind Teppiche, Satteldecken und kleine, meist für Tabak bestimmte Beutel.
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Flechtweberei und die Herstellung von Riemen: Die Weberei und die Korbflechtarbeiten kennen die Jakuten nicht. Sie verstehen lediglich die Herstellung von Matten aus Gras und Riemen aus Pferde- oder Rentierhaaren. Riemen entstanden aus stark gezwirnten Fäden, die man umeinander wickelte. Um Muster zu erhalten, wurden dunkle und helle Schnüre verwendet (Abb. 7).
Mehrere solcher Bänder nebeneinander gelegt, aufwärts und abwärts verlaufend, bilden ein Zickzackmuster (Abb. 8). In gleicher Art stellten die Jakuten Matten aus Schilf her. Ärmere Leute benutzten Felle zum Schlafen als Unterlage. Die einzelnen Streifen werden aber nicht gezwirnt, sondern wie Zöpfe geflochten.
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(Abb. 9) Technik aus der Flechtweberei, die aber von den Jakuten nicht angewandt wurde
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Töpferei: Das Rohmaterial bildet der häufig vorkommende feuerfeste Ton. Im Norden wurde derlei selten vorgefunden. Bei der Herstellung wurde Ton mit fein zugeschlagenen Scherben alter Gefässe vermengt. Die Töpferscheibe kannte man nicht, man nahm zum Formen lediglich einen runden oder halbrunden Stein sowie ein Modellierbrettchen zu Hilfe. Um eine kreisrunde Form zu erzielen, bediente man sich mehrerer Ringe aus einer Art von Purpurweide. Die Töpfe wurden mit Holz umkleidet und mehrmals gebrannt, bis sie rot glühten. Um sie zu härten, goss man heisses, mit ein bis zwei Esslöffeln Milch vermischtes Wasser hinein, wenn sie erhitzt aus der Asche gezogen wurden. Jegliche Glasur war unbekannt. Die Ornamente wurden mit Holzstempeln eingedrückt, solange der Ton noch ungebrannt war. Sie fanden sich auch häufig noch als zusätzlicher Schmuck an den Zierwülsten. Die Tongefässe wurden niemals bemalt, sondern die Ornamentierung wurde ausschliesslich durch Stempel oder Fingerabdrücke (Nagelornament) hergestellt.
Mongolische und tungusische Völkerschaften besassen keine eigenständigen Töpfereien.
Natürlich finden sich viele Tabu-Vorschriften. Sie hängen damit zusammen, dass Töpferware als „unrein“ betrachtet wurde, dass der Ton eine Art von Erdgeistern, chthonischen Besitzern hatte (chthonische Geister, die Leben und Fruchtbarkeit spenden, aber auch den Tod bringen). So war es nicht üblich, bei Naturerscheinungen wie Gewitter die Gefässe draussen zu lassen, da sie sonst zerbrechen könnten. Wenn unter dem Holz beim Brennen des Topfes sich ein Stück eines von einem Blitz getroffenen Baumes befindet, gilt Selbiges. Der Topf kann aber auch schon platzen, wenn der reine Besitzergeist des häuslichen Herdes es ablehnt, sich mit dem unreinen Geist der Töpferware beim Vorgang des Brennens zu vereinigen.
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Ornamentierung von Holz und Rinde:
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Für die feineren Gebrauchsgegenstände, die auch ornamentiert werden, verwendete man fast ausschliesslich das überaus geschätzte Birkenholz. Es ist haltbarer und lässt sich leichter krümmen. Als Werkzeuge dienten Axt, Messer und auch Bohrer. Für die Ornamentierung verwendet man dieses kleine, relative biegsame Messer heute noch.
Ornamente ritzte man ein oder schnitzte sie als Halbrelief in der sogenannten Schrägschnitt- oder Kerbenschnitttechnik. Lackiert wurde das Holz nicht. Fertige Gegenstände, wie etwa das Kumysgefäss, rieb man lediglich mit Butter oder Sahne ein, damit das Holz nicht eintrocknen oder sich spalten konnte. Aufgemalte Ornamente fanden sich nicht. Gelegentlich wurde das Holz dunkelbraun gefärbt, damit sich die hellen Einschnitte besser abhoben. Zur Gewinnung dieses Farbstoffes verwendete man Erlenrinde. Die schwarze Farbe stammte von krankhaften Auswüchsen an Birkenstämmen, die mit der Asche und Sahne vermischt einen tiefschwarzen Farbstoff bildeten. Ebenfalls zur Farbstoffgewinnung dienten Auswüchse von krankhaften Geschwüren von Pferden unter dem Fell der Achselhöhle oder an der Leiste. Diese schnitt man einfach auf. Fertige Muster wurden mit Sahne eingerieben, damit die Rinde geschmeidig blieb, und dann aufgeklebt. Diese Arbeiten wurden ausnahmsweise auch von Frauen erledigt.
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Mit Keilschnitt verzierte man nur Gegenstände zum Aufbewahren des Kumys (der Stutenmilch), Tassen, die für Getränke benutzt wurden, und die grossen Schöpfkellen. Das Ornament wird teilweise durch gekerbte Linien und breite ovale Vertiefungen, die wie Blätter auf den Ornamenten wirken, veranschaulicht.
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Bei Holzschachteln dagegen entsteht das Ornament aus geritzten Linien (Ritztechnik). Wenn diese breiter ausfallen, kann diese Technik den Eindruck einer Art von Halbrelief erwecken.
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Aus Birkenrinde selbst stellte man nur die Ornamente für Wandbehänge und Türen oder die mit Birkenrinde bedeckten Stangenzelte und Birkenrindedosen her. Wie die Amurvölker schnitten auch die Jakuten die Muster aus dunkel gefärbter Birkenrinde aus. Diese weichten sie zunächst einige Tage in Wasser ein, dann kratzten sie die oberste Schicht ab und färbten sie. |
Verarbeitung von Horn, Knochen und Mammutelfenbein: Das gleiche Messer wie für Holz verwendete man für solche Schnitzereien. Da, wie schon früher erwähnt wurde, die Jakuten keine biomorphen Darstellungen kannten, weil sie damit keinen Geist verstimmen wollten, sind geschnitzte Figuren aus Mammutelfenbein im Halbrelief auf Kästchen und Kämmen eher neuzeitlichen Ursprungs. Bei den Tschutschen war diese Art von Figuren aus Knochen ein weit häufigerer Rohstoff und Tradition. Wahrscheinlich wurden solche Knochenverarbeitungen von den Tungusen und Samojeden übernommen.
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Das Schmiedhandwerk: Bei der Einwanderung der Russen hatten die Jakuten als einziges nordsibirisches Volk Erfahrungen in der Gewinnung von Eisen, Messing und Kupfer. Auch Silber, Gold und Bronze verwendeten diese Nomadenvölker im südlichen Sibirien seit alters her. Von den Rohstoffen, die die Schmiede verarbeiteten, gewannen sie selbst Erz. Andere Metalle waren Importware. Eine Verarbeitung mit Gusseisen kam erst durch die Russen.
Ein grosser Teil des Silbers wurde in Form von Münzen eingeführt, das zu Schmuck umgearbeitet wurde. Gold war weniger geschätzt. Obwohl im Lena-Gebiet reiche Goldvorkommen vorhanden waren, wurden diese kaum verarbeitet. In grossen Mengen verhüttete man also Erz und Raseneisenstein. Als Ofen diente eine mit einem Tondeckel verschliessbare Grube im Erdboden.
Ornamentierte Eisengegenstände gab es in der Regel kaum, abgesehen vom Schamanenschmuck. Bei diesem ist eher angebracht, von einer Plastik zu sprechen als von einem Ornament, da einzelne Stücke gewisse Gegenstände darstellen sollen. Wichtige Werkzeuge der Schmiede bildeten Blasebalg, Hammer, Zange, Amboss und Feilen.
Hergestellte schwertartige Waffen aus Eisen tragen auf ihren Klingen ebenfalls schlichte Bogen-oder Spiralenornamente. Einzelne Gegenstände verarbeitet man auch aus Messing. Dazu gehören: Beschlag für Pferdehalfter und Schamanenschmuck. Einige Erzeugnisse sind erst mit Einfluss der Russen entstanden, wie Petschafte (Handstempel und Siegel), Kreuze und Anhänger. Mehrheitlich war das Material mit Ornamenten aus Silber gefertigt. Die meisten Stücke wurden nach dem Verfahren des so genannten Lehmgusses in fester Form gegossen, sogar die ganz dünnen Überzüge über Holzteile der Prunksättel.
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Die eigentliche Ornamentierung wurde anschließend mit Schablonen erstellt (Tafel IV, Abb. 9, Schablone). Einfache Zeichnungen wurden direkt eingeritzt.
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Das Ornament zeichnet man entweder mit eingeritzten Linien, oder man imitiert eine Halbrelieftechnik dadurch, dass man die glänzenden Flächen als Muster stehen lässt, meistens von einer geraden Linie umsäumt, während man den Grund mit feinen eingeritzten Linien schraffiert und mit Schwärze füllt. Man erreicht dadurch eine ähnliche Wirkung wie beim Keilschnitt, der ja auch die beliebteste Technik für Metallschmuck ist, besonders in der Skythenwelt, wo dieser Tierstil gefertigt wurde. Die kleinen silbernen Schmuckplättchen, die man wie Perlen verwendete, sind dagegen tatsächlich im Halbrelief verarbeitet. Das Ornament wurde offenbar eingestanzt. Kleinere geometrische Motive wurden auch mit einem Stempel auf dünnere Matallplättchen aufgeschlagen. Auch Email legt man gelegentlich in vorher geritzte Furchen ein. Doch die wenigen gefundenen Emailarbeiten zeigen deutlich einen chinesischen Einfluss. Das Material für Emailverzierungen waren Zinnperlen und gebrauchte Patronenhülsen, und es kam von den Russen.
Es gibt nur sehr wenige gemeinsame Motive bei der Holz- und Metallverarbeitung. Die komplizierten Muster und die Kunstfertigkeit ihrer Herstellung fanden ihren höchsten Ausdruck in der Stickerei, wo Blumenmotive verarbeitet wurden. Hauptmotive in der Metallverarbeitung waren Blüten-, Ranken- und Blättermotive.
Das Schmiedehandwerk wurde durch Weitergabe innerhalb von Familien gepflegt. Wie auch bei den Schamanen, unterschied man zwischen einem schwarzen und einem weissen Schmied. Der Schmied war in den Augen der Stammesangehörigen ebenso hoch geachtet wie der Schamane, da er auch mit Zauberkräften und Macht über Geister ausgestattet war. Diese Macht beruhte auf der Annahme, dass die Geister Metalle fürchten. So erklären sich auch Sitten, wie etwa allen Metallschmuck von den Kleidern der Toten zu entfernen. Das Feuer darf nicht mit einer Eisenstange geschürt werden, damit sein Besitzergeist keine Kränkung erfährt. Man kann böse Geister mit dem Klang des Eisens vertreiben. Die Macht des Schmiedes bestand also darin, dass er die Zauberkraft zügeln und entfesseln konnte. So griff sein Wirkungskreis in den der Schamanen über, was seine Position innerhalb der Gemeinschaft steigerte. Ihr gemeinsamer Patron war „Kytaj-Baxsy-Tojyn“. Wenn dieser sich über den Schmied erzürnte, musste man eine rote Kuh opfern. Zudem wurde dem schwarzen Schamanen eine Kuh geopfert, wenn er bei Beginn seiner Laufbahn das Schamanenkleid empfing. Die Schamanin „Makyny-Kysa-Tyny-Raxtax“ erhielt zur Beschwichtigung dasselbe Tier als Opfergabe. Kühe wurden demnach nur chthonischen Geistern (Erdgeister) dargebracht. Die Jakuten kennen ein Sprichwort, in dem es heisst: „Schamanen und Schmiede stammen aus demselben Nest“.
Türkische Schmiede galten schon in der Vergangenheit als besonders geschickt, wie in Quellen der Tangzeit berichtet wird. Von besonderen Schmiedgruppen wird aus dem Altai aus dem 6. bis 8. Jahrhundert n. Chr. berichtet, ebenso werden die Jennisei-Kirgisen aus dem 8. Jahrhundert n. Chr. als grosse Meister bezeichnet. Schmuck wurde aus Silber gegossen, ehe man ihn überarbeitete und anschliessend gravierte. Im Altai ist diese Technik sehr alt, wie Funde aus Edelmetall in Kurganen aus der Pazyrykzeit belegen, voraussichtlich aus dem 6. bis 2. Jahrhundert v. Chr. |
Die geometrischen Ornamente
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Als geometrische Ornamente sollen hier jene Muster bezeichnet werden, die nicht aus Spiralen- und Pflanzenmotiven bestehen. Es gibt keine andere Volksgruppe, die so viele Motive kennt wie die Jakuten, etwa 144, die sich aus etwa zehn verschiedenen Grundmotiven zusammensetzen. Die figürliche Darstellung fehlt bei den Jakuten, mit Ausnahme des Schamanenschmucks. |
Grundmotive
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Linien und Striche: Aus praktischen Gründen soll ein Unterschied gemacht werden. Unter Strichen seien die kurzen Striche verstanden, die sich häufig im Muster wiederholen. Linien laufen sehr lang fort. Als Ornament allein kommt die Doppellinie vor. |
Das Kammornament: Diese einfachen Ornamente sind auch ausserhalb weit verbreitet, sei es bei den paläosibirischen Völkern, den Burjaten oder den Tungusen. Auch die Chinesen verwenden dieses Muster auf ihren Metallspiegeln. Gefunden wurden solche Muster in der Baikal-Region aus dem 1. Jahrtausend n. Chr.
Von den Jakuten weiss man, dass sie solche Muster „Kammornamente“ „tarax“, „ojü“ und „rydh“ nennen (Tafel. I, Abb. 1 bis 4 auf Kumysgefässen, in Holz geritzt). Dieser Kamm war in China und Europa im Zusammenhang mit der weiblichen Fruchtbarkeit vorgekommen, wie z.B. bei der Kauri-Schnecke und dem Dreieck. In Indien sind Verbindungen zu der Fruchtbarkeitsgöttin „Yoni“ gegeben, die einen Kamm als symbolische Figur mit sich führt, die aus der Zeit der arischen Einwanderung stammt. Auch in älteren Volksbräuchen finden wir „rydh“. „Der Kamm wird unter das Buttergefäss gelegt, gegen den bösen Blick“. Solche Fruchtbarkeitssymbole haben sich oft zu Zeichen eines Abwehrzaubers entwickelt, wie z.B. ein Talisman oder die Phalli, die den Kindern in Italien oder Spanien umgehängt wurden. Auffallend viele Vorschriften und Bräuche im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt finden sich in der alten Welt mit Kämmen. Der Kamm wurde also als Fruchtbarkeitssymbol aufgefasst. |
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Das Frühlingsfest wurde gefeiert, um die Fruchtbarkeit des kommenden Jahres zu steigern. Beim Herbstfest wurden hingegen Opfer dargebracht, um sich vor den bösen Geistern zu schützen.
Eine andere Variante dieses Musters, das „Rückgrat-Ornament“, auch „Nagel-Erhöhung“, „tynyraxtax torduja“ genannt, wurde vorwiegend auf Töpferwaren gefunden, hat aber mit dem Kammornament direkt nichts zu tun (Tafel I, Abb. 8, Kumysgefäss, Holz).
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Das Schachbrett: Ein anderes Ornament, das vorwiegend auf Kumysgefäßen gefunden wurde (Tafel I, Abb. 11, in Holz geritzt u. 12, Holz, Keilschnitt).. |
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Das Seilzeichen: Die Striche können auch schräg zu den Grenzlinien verlaufen und wurden bei allen Techniken verwendet. Das Zeichen wurde „ärijä oju“ genannt, übersetzt: „gewundenes Ornament“ (Tafel I, 13 auf Kumysgefäss, Holz, Keilschnitt). |
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Tannenornament: Eine häufige Variante stellt das Nebenherlaufen zweier Seilzeichen dar. Es tauchte bereits in Funden aus Noin Ula und im Jenissei, wie auch bei den Kirgisen im 6. bis 8. Jahrhundert n. Chr. auf (Tafel I, Abb. 16 auf Kumysgefäss, Holz, Keilschnitt). |
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Ausserdem trat es bei den Wogulen in Erscheinung, die es „saune kur“ nannten, was mit „Elsternfuß“ übersetzt werden kann. Dieses Muster kam auf Kumysgefässen nicht vor, nur auf Verarbeitungen auf Silber. |
Kreuze: So häufig das aufrechte Kreuz in Verbindung mit anderen Motiven vorkommt, so selten findet man es als einziges Motiv eines Reihenornaments. Bei den Burjaten dagegen gehört es zu den ältesten Motiven. Andreaskreuze findet man häufig auf Kumysgefässen zu einer Reihe zusammengefügt; „ilim xaraha“, Netzornament (Tafel I, Abb. 21, Holz, Keilschnitt). Wenn sich im Mittelfeld zwischen je zwei Kreuzen ein Punkt befindet, so soll damit ein Fisch dargestellt werden (Tafel I, Abb. 22, Holz, Keilschnitt). Wenn die Andreaskreuze doppelt so dicht stehen, einander also überschneiden, entsteht dieses Muster, wie bei Mossul- und Janinasstickereien (Tafel I, Abb. 23, in Holz geritzt).
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Mit dem christlichen Kreuz haben die ornamentalen Kreuzmotive nichts zu tun. |
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Zickzack und Dreiecke: Dies kann man als eines der populärsten geometrischen Reihenornamente betrachten. Es heisst „uasa oju“ und stellt auf den Kumysgefässen die grossen, konischen Sommerzelte der Jakuten dar. Sie nennen es aber auch „biä miä oju“: Stutenbrustwarzenmuster. Die Abbildung von Brüsten ist auch ein weltweit verbreitetes Sinnbild der Fruchtbarkeit und des guten Gedeihens. Bei den Keten heisst es ähnlich, nämlich „Schatten der Jurte“.)
(Tafel I, 25 bis 35) Zickzackreihen: Ornamente, die sich im rechten Winkel fortsetzen.
In unterbrochener Folge (Abb. 27, Kumysgefäss, Holz).
In Form von übereinander liegenden Winkeln (Abb. 28 und 29, Topf, Ton modelliert).
Den Grund des Zickzackmusters bilden Dreiecke, deren Basen abwechselnd auf der oberen und unteren Bandlinie ruhen. Ein Nagelornament (Abb. 30, Kumysgefäss, Holz, Keilschnitt, und 31, Dose, in Holz geritzt) stellt Fingernägel dar).
Normalerweise entstehen solche Muster, wenn die Töpferin die Fingernägel in den weichen Ton drückt.
„Kärdis oju“, eingekerbtes Ornament (Abb. 33, Kumysgefäss, Holz, Keilschnitt). Die Bezeichnung kommt daher, dass es ähnlich aussieht wie die Kerben, die als Gedächtnisstützen in Äste geschnitzt wurden.
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Zickzackmuster
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Die Burjaten kennen ähnliche Formen. |
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Die technische Gebundenheit des Zickzackmusters ist bei der Flechtweberei oder den einfachen Riemenflechtarbeiten dagegen klar zu erkennen (Tafel I, Abb. 38, Kumysgefäss, Holz, Keilschnitt).
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Das Zickzackornament ist nicht nur bei den Jakuten eines der häufigsten Ornamente auf Kumysgefässen, sondern es kommt ebenso oft bei paläosibirischen Völkern, den Burjaten und anderen Völkern Südsibiriens vor. Die Tschuktschen sehen darin Flüsse, die Chinesen dagegen zeichnen bekanntlich die Berge als Zackenlinien. In vorgeschichtlichen Funden tritt das Muster eines Dreiecks bereits auf Keramik aus dem 3. bis 2. Jahrtausend v. Chr. in Erscheinung und fehlt auch nicht in Funden aus jüngerer Zeit, wie z.B. der Pazyryk-Kultur im Altai und auf der Keramik der Tagar-Kultur.
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Das Dreieck findet als einziges Motiv in einem Reihenornament Verwendung, indem einfach Dreiecke nebeneinander gestellt werden (Tafel I, Abb. 36, Brustschmuck, Silber, graviert). Wie es auch die Burjaten, Tungusen, Samojeden, Keten (Ostjaken) und Wogulen zu tun pflegen. Es steht aber auch in einer Reihe von Dreiecken, die vom oberen Rand des Musters herabhängen, einer Reihe gegenüber, die auf dem unteren Rand basiert. Die Spitzen berühren sich fast (Tafel I, Abb. 40, Becher, Knochen geritzt).
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Auffallend ist bei Vergleichen von keramischen Grabbeigaben der europäischen und der chinesischen Frühzeit, dass sie mit Reihen von Dreiecken verziert waren, die dem jakutischen Muster gleichen. Da sich ein Tod mit einer Wiedergeburt verbindet, werden diese Dreiecke, wie auch der Kamm dem Fruchtbarkeitssymbol zugeordnet, das die Weiblichkeit darstellt. Die Burjaten kennen das auch. Diese Gaunerzinken geben an, wie viele Frauen im Haus wohnen. Man kennt ähnliche Beispiele aus dem Balkan und dem vorderen Orient, wobei diese Semantik schon bei den Ägyptern bekannt war. Auffälligerweise kommt dieses Motiv häufig mit dem Kamm zusammen vor, der auch ein Fruchtbarkeitssymbol ist. Dies zeigen auch Beispiele aus Indonesien, wo der Kamm zum Schutz gegen Krankheit mit Dreiecksmustern verziert wird. In Indien und China, wie auch im vorderen Orient, bedeutet das Dreieck ein Zeichen die Weiblichkeit. Diese Muster haben sibirische Völker, wie auch die Jakuten, beeinflusst. Bei den Tschuwaschen, einem Turkvolk, fand man auf dem Grabpfosten ein solches Dreieck, wenn eine Frau hier begraben liegt. Die übrigen Einkerbungen stellten deren Kleidung dar. Wobei sie solche Dreiecke oder Zickzackmuster nie auf Kleidungen getragen haben.
Ein ursprünglicher Sinngehalt dieser Motive ist bei den Nomadenvölker in Sibirien nicht sicher zu deuten, auch wenn sie die Kumysgefässe, die zu den Frühlingsfesten hergestellt wurden, mit solchen Motiven schmückten. Man brauchte auch andere Motive, die aber aus dem chinesischen Raum stammen und die mit jenen der indonesischen Bevölkerung gewisse Gemeinsamkeiten haben.
Dreiecksmuster schmückten die vorgeschichtlichen Funde Sibiriens bereits in sehr früher Zeit. In der weiteren und näheren Umgebung der heutigen Jakuten trifft man auch auf Applikationen unter den Funden aus dem Pazyryk im Altai und im Gebiet um das Südende des Baikalsees auf keramischen Erzeugnissen der ersten Jahrhunderte n. Chr. Westlich davon kommen sie auf Holz und Ton im Jenisseigebiet in der Zeit um Christi Geburt vor.
Quadrate, Rhomben und Rechtecke:
Ein Quadrat oder Rhombus kann aus einem Dreiecksmuster entstehen (Tafel I, Abb. 42, Satteldecke, Tuchmosaik).
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Das auf einer Seite liegende Quadrat oder Rechteck kommt fast nur im Schachbrettmuster zum Einsatz (Tafel I, Abb. 48, Messergriff, Horn, eingelegt, 49, Nähkasten, Holz, geritzt und 50, Teppich, Fellmosaik). Solche Muster hat man auch bei allen Nachbarvölkern gefunden.
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Zwei Töpferstempel
(Tafel I, Abb. 52, Topf gestempelt und 53, Töpferstempel, in Holz geritzt).
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Bogen: Die Bogenform kann verschieden ausfallen, flacher oder gewölbter, die Grundlinie zum Ornament in der Töpferei und Perlenstickerei fällt weg. (Tafel I, Abb. 59, Kumysgefäss, Holz, Keilschnitt).
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Die einfachste Variante dieses Ornamentes bildet die Verdoppelung des Bogens, wobei auch die beiden Linien am Anfang und Ende jedes einzelne Motiv berühren oder völlig getrennt verlaufen (Tafel I, Abb. 57, Rückenschmuck, Silber, graviert und 58, Schwert, Eisen graviert).
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Eine andere Variante entsteht, indem sich an eine obere und untere Randlinie Bögen in Abständen anschliessen, so dass jeder einzelne Bogen in den Zwischenraum zwischen zwei der anderen Seiten hineinragt (Tafel I, Abb. 59 oder 63, Kumysgefässe, Holz, Keilschnitt).
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Kreise und Punkte: Kleine Kreise wie Perlen auf einer Schnur umranden die Muster auf Silber. Ausserdem war eine Reihe von Kreisen ein beliebtes Stempelornament auf Töpferwaren, „türgüruk oju“ „Kreisornament“ (Tafel I, Abb. 64, Topf, Ton gestempelt und 65, Schmuckplatte, Silber, graviert). Ein Unterschied zum Kreismuster bestand darin, dass bei einem Punkt die ganze runde Fläche eingedrückt wird und nicht nur die Randlinie. Ein Muster mit der Bezeichnung „kövüör oju“ Kumys-Ledersackornament (Tafel I, Abb. 66, Kumysgefäss, Holz).
Ein anderes Muster (Tafel I, Abb. 67, Brustschmuck, Silber, graviert) aus mehreren einbeschriebenen Kreisen und einem Punkt in der Mitte. Dies wurde auch von den Burjaten genutzt und den tungusischen Stämmen. Dasselbe Ornament findet man auch bei den Keten. Bei den Tschuktschen repräsentieren Kreise Sterne, während sie die Sonne durch eine viel grössere Zahl von einbeschriebenen Kreisen darstellen. Die Burjaten bilden die Sonne auf Zeichnungen in Form von 8 oder 9 eingeschriebenen Kreisen ab. Bei den Kirgisen hat eine runde Scheibe die Bedeutung „Neumond“. Wie Beschreibungen aus China erklären, haben diese Kreise mit Punkt das „Sonnenauge“ dargestellt.
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Die Sonne stellten die Jakuten auf der Tracht der schwarzen Schamanen als Scheibe mit einem kleinen Loch in der Mitte dar. Sie gleicht jedoch darin dem Abbild der Erde auf demselben Kostüm. Auf Ornamenten, deren Sinn bekannt ist, wird die Sonne in einer anderen Form versinnbildlicht, wie noch später erläutert wird.
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- siehe mehr zu Sonnendarstellungen unter „Sonnenzeichendarstellungen
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Die Jakuten sind aus zwei zugewanderten Stämmen zusammengesetzt, einem vor ca. 1000 Jahren angekommenen und einem schon seit längerer Zeit dort ansässigen. So kann es durchaus sein, dass sie wie die Burjaten zwei Arten von Sonnendarstellungen haben. Einmal zeichnen sie die Sonne als wirbelartige Figur, wie die Altaier, Kirgisen und andere südsibirsche Völker. Andernorts wird sie durch zwei oder mehrere konzentrische Kreise ausgedrückt. Als Beispiel dafür kann man die Tatsache betrachten, dass die runden glänzenden Schmuckscheiben der Frauen, die sie auf der Kappe oder über dem Mantel tragen und mit konzentrischen Kreisen oder konzentrisch angelegten Musterstreifen verzieren lassen, die „Sonne“ genannt wird. Daher wenden die Frauen ihre Mütze um, so dass die Scheibe nach hinten kommt, wenn sie Zeremonien ausführen, bei denen kein Mann zusehen darf. Die Sonne gilt nämlich bei den Jakuten als Mann. Solche Scheiben sind auch auf den Kumysgefässen angenietet. Diese Form der Sonnendarstellung war auch bei den Tschuktschen, Korjaken und nach dem Schamanenschmuck zu urteilen auch bei den Jukagiren verbreitet.
Vereinzelte Motive dieser Gruppe sind den seltener vorkommenden Grundmotiven zuzuordnen, die nur in Ausnahmefällen mit anderen kombiniert werden.
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Das Reliefornament: Dieses Ornament gleicht den Zinnen eines Turmes. Es kommt ausschließlich auf Kumysgefässen vor, die Jakuten nennen es Reliefornament, „tomtoryo oju“ (Tafel I, Abb. 68, Holz, Keilschnitt). |
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Das Keilmotiv: Hier wird ein Motiv einfach zwischen zwei Rändern eingekeilt. Das Aussehen gleicht einer Keile zum Holzspalten und wird „kybyta oju“ (Keilornament) genannt (Tafel I, Abb 69, Kumysgefäss, Holz, Keilschnitt). |
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Das Fingerornament: Das Muster besteht aus sechseckigen Zellen, die sich wie Waben im Bienenstock anordnen. Es heisst „tarbax oju“, Fingerornament (Tafel II, Abb. 1, Kumysgefäss, Holz und 2, Perle, Zinn graviert). |
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Silber- und Töpferstempel: Einer der Stempel für Silberornamente gleicht in seiner Form einem Dreieck. Nur die Basis ist nicht glatt, sondern mit Zacken versehen. Man schlägt eine Kreislinie auf, um ein anderes Ornament zu umranden, oder drückt es in gerader Reihe ein. Dabei wird das Muster oft abwechselnd mit der Spitze nach oben und nach unten verwendet. In der Mitte des Dreiecks ist häufig ein Punkt ausgespart (Tafel II, Abb. 7, Beschlag auf Männergürtel, Silber, gestempelt, 8, Schmuckplatte, Silber, graviert, 9, Beschlag auf Pferdehalfter, Messing, gestempelt, 10, Schöpfkelle für Kumys, Holz, Keilschnitt, und 11, Schuckplatte, Bronze, gestempelt).
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Ornamente dieser Gruppe werden auf Töpferwaren gestempelt. Man drückt sie mit einem zweizackigen Stöckchen vor allem auf die Wülste der Töpfe ein. Dieses Motiv heisst sehr treffend „bytasyt zamyta“, „die Maus ging“ (Tafel II, Abb. 3, Topf, Ton, gestempelt). Weitere Ornamente wirken wie Fußspuren von Tieren (Tafel II, Abb. 4 und 5, Töpferstempel, Holz, geschnitzt).
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Die häufigsten Kombinationen in Motiven sind:
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Kreuzfiguren: Eine geringe Veränderung des Kreuzornaments wird vorgenommen (Tafel II, Abb. 14, Tabakdose, in Holz geritzt). Diese Andreaskreuzornamente sind mit solchen der Keten und Burjaten identisch und auf Kumysgefässen sehr häufig dargestellte Reihenornamente (Tafel II, Abb. 15, Holz, Keilschnitt).
Ein Kumysgefäss (Tafel II, 16, in Holz geritzt) weist interessante Parallelen zu einem hunnischen Kessel, der in Ungarn gefunden wurde. Auf diesem wechseln sich Andreaskreuze und Kammornamente ab.
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Bei den Ornamenten der Jakuten fällt auf, dass gerade das einfache Kreuz in Verbindung mit Kreis oder Quadrat sehr beliebt war. Diese Motive kommen bei fast allen Gebrauchsgegenständen vor, nicht aber auf Silber.
Sowohl die Dreiecke als auch die Quadrate sind um ein Andreaskreuz angeordnet, das man im Muster an sich nicht sehen kann, sondern das zwischen den Quadraten und Dreiecken frei bleibt. Solche Muster wurden in Töpferwaren gestempelt. Wenn man diese Töpferstempel eindrückt, zeichnet sich die Kreislinie nur schwach ab, und der Grund des eigentlichen Musters wird wieder zum Ornament.
Solche vier Dreiecke erscheinen auf Keramik, sie haben eine runde Basis (Tafel II, Abb. 24, Kumysgefäss, in Holz geritzt). Sie heißen „bultavir torduja“ „gerundete Erhöhung“.
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Häufig wird das Muster selbst dargestellt, wie auf den kleinen, nicht ornamentierten quadratischen Schmuckplättchen, die man mit zwei Stichen kreuzweise übernäht, bei Unterlagsarbeiten, wo man diese Form ausschneidet und auf einen andersfarbigen Grund aufnäht, oder auf Holzarbeiten.
Die Kreuzmuster kommen ausserordentlich häufig vor. Sie gehören zu den wenigen Ornamenten, die sowohl Kumysgefässe als auch andere in Heimarbeit hergestellten Gegenstände zieren. Das Prinzip war den Jakuten schon so vertraut, dass man es in schlichteren Formen anwandte (Tafel II, Abb. 26, Töpferstempel, in Holz geschnitzt; 27, Topf, Ton, gestempelt und 28, Dose, Birkenrinde, Unterlagsarbeit).
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Bei einem Motiv wird aus vier Quadraten ein einziges Quadrat zusammengestellt (Tafel II, Abb. 21, Schamanenschmuck eines schwarzen Schamanen, Eisen, graviert).
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Bei Unterlagsarbeiten werden bisweilen das Kreuz und dazu die vier Quadrate zwischen den Armen des Kreuzes dargestellt (Tafel II, Abb. 31, Schachtel, Birkenrinde, Unterlagsarbeit).
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Dieses Muster wurde auch in Troja gefunden, wo es weiblichen Figuren nachgebildet wurde. An der Stelle des Geschlechtsteils ist auf einer der Urnen ein Swastika (ein Hakenkreuz, das als rotierende Sonne ein altindisches Symbol ist) angebracht, auf der anderen das Kreuz mit vier Punkten (Abb. 12 und 13). In einem anderen Quadrat ziert das Kreuz mit vier Punkten eine weibliche Figur aus Rumänien (Abb. 14).
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- Sonnenzeichendarstellungen -
Auch in Griechenland wird das Geschlechtsteil durch das Hakenkreuz, ein Sonnensymbol, ersetzt. Es versinnbildlicht überall da, wo es auftritt, den Sonnenumlauf und damit die Fruchtbarkeit und im weiteren Sinne das Glück.
Der Inhalt des hier besprochenen Motives muss ein ähnlicher sein. Dass ein gewisser Sinn dieses Ornaments bei den Altaiturken, deren materielle Kultur und Religion den Jakuten in vieler Hinsicht ähnelt, sich bis in das vorige Jahrhundert erhalten hat, zumindest der Glaube an eine Heiligkeit, das beweisen die Muster der Schamanentrommeln, auf denen es den Rand zwischen Zickacklinien und Darstellungen von Sternen ziert (Abb. 15).
Bei den Jakuten kommt dieses Muster nicht häufig vor, nur auf einer Dose für Wachslichter (Tafel II, Abb. 30, Dose, in Holz geritzt und gekerbt). Auf dem Deckel der Dose war auch ein Widderhorn-Ornament eingeritzt, das zweifellos ursprünglich eine kosmologische Bedeutung hatte und aus China stammt. Auch die Burjaten kennen dieses Ornament, wie Funde aus der oberen Lenagegend erkennen lassen. Diese Form trifft man schon im Altai der Pazyryk-Kultur an.
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Im übrigen lassen sich wie bei vielen anderen Motiven Parallelen zu chinesischen Zeichen feststellen. Das Kreuz mit vier Punkten kommt auf frühchinesischer Keramik vor, wie das durchkreuzte Quadrat oder Radkreuz. Das auf halber Seite durchkreuzte Quadrat stellt das chinesische Schriftzeichen für Feld dar. Der durchkreuzte Kreis ist ebenfalls ein sehr altes Schriftzeichen. Viermal wiederholt bedeutet es Donner ,,Jei“ (Abb. 16). Es wurde als ein gutes Zeichen angesehen, weil nach dem Donner der Regen kommt.
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Das Zeichen wird auch mit dem Zickzack des Donners verbunden (Abb. 17). Darin werden jedoch auch Sonnenräder gesehen, die bekanntlich auch mit dem Radkreuz zusammenhängen. Solche Motive kommen auch in Indonesien vor. Es ist sicher nichts Ungewöhnliches, wenn die Schamanen in Nordasien auf ihren Zeichnungen die Sonne auch als Rad darstellen. |
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Wie bei den Keten (Abb. 18 links die Sonne, rechts der Mond, in der Mitte die Figur des Schamanen und zwei Gehilfen auf der Rückseite eines Schamanenrockes), den Ostjaken (Abb. 19 Sonnenkreis) oder den Burjaten (Abb. 20 Darstellung von links der Mond, die Milchstraße und rechts die Sonne), wo sie mehrere konzentrische Kreise durchläuft. Auch bei den Altaiern werden die Sterne so aufgezeichnet, wobei häufig, aber nicht immer, ein Strahlenkreuz um das Motiv dazukommt. (wie zuvor bei Abb. 15 und 21 Darstellung von Sonne, Venus, Mond und anderen Sternen).
Auf jakutischen Zeichnungen steht das Radkreuz auch für eine Schamanentrommel.
Schamanentrommel
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Wahrscheinlich wird dieses Zeichen für die Trommel eingesetzt, weil auf dem Fell der runden Trommeln in Nordasien und Lappland fast immer ein Kreuz aufgezeichnet ist, das für die Reise des Schamanen steht (Abb. 68 Weltbild auf einer Trommel der Kalmücken). Dieses Kreuz durchsetzt die ganze Trommel. Es zeigt eine Einteilung in die vier Himmelsrichtungen und 12 verschiedene Punkte (die Monate). Die mongolische Weltanschauung wurde natürlich stark vom Buddhismus beeinflusst. Im Zentrum der Welt liegt für sie der Weltenberg, rundherum die vier Weltteile. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auf Zeichnungen im Altai die Sterne oft als durchkreuzte Figuren abgebildet waren. Die Sonne stellt man aber in Nordasien auch durch Kreise oder Kreuze dar. Während die Kreislinie sich noch von den optischen Eindrücken, die man von Gestirnen hatte, ableiten lässt, wird im Kreuz bereits der Sonnenlauf ausgedrückt. Diese Formgebung ist in ganz Asien verbreitet, wobei die Zahl der Kreise wechseln kann (wie in Abb. 21 oben). |
Eine weitere ornamentale Art der Sonnendarstellung, die unter den Nomadenvölkern Südsibiriens, den Altaiern, Kirgisen, Burjaten und Jakuten vorkommt, zeigen die Abb. 42 bis 46. Die Strahlen der Sonne beginnen zu rotieren, d.h. sie nehmen einen Swastika-Charakter an. Diese sich drehenden Figuren heissen bei den Altaiern, Kirgisen und Burjaten die „Sonne“. Auf einer Truhe bei den Jakuten kommt das Ornament an der gleichen Stelle vor wie bei den Burjaten (Tafel II, Abb. 45 und 46, Holz, geschnitzt 42 bis 44 auf Dose, in Holz geritzt). Somit kann man sich vorstellen, dass die Jakuten und Burjaten die gleiche Vorstellung mit dem Ornament verbunden haben. In diesem Zusammenhang kann nicht mit Sicherheit entschieden werden, ob es von Persien, wo es die Sonne symbolisiert, oder etwa aus China oder Tibet übernommen wurde.
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In der Mitte dieses Motives befindet sich bei den Jakuten und Kirgisen meist ein Kreis mit einem Punkt darin, der bei den Burjaten und einigen paläosibirischen Völkern, wie bereits erwähnt, allein schon als ornamentaler Ausdruck der Sonne vorkommt.
Die Burjaten selbst pflegen in die Mitte dieses Swastika-Symbols (ein Sonnenzeichen) meist ein Radkreuz zu zeichnen. Die Altaivölker verwenden als zentrales Motiv einen oder mehrere Punkte, das Kreuz mit den vier Punkten, diesmal von einer Kreislinie umgeben, oder ein Radkreuz, das eventuell auch als Swastika-Zeichen (eben als Hakenkreuz mit der altindischen Bezeichnung für Sonne) verwendet wurde.
Kreuzzeichen oder Kreise mit einem Punkt symbolisieren kosmische Erscheinungen. Das gilt für die mit den Jakuten verwandten Altai-Völker und Kirgisen, ebenso für die Burjaten und andere Völker Asiens.
In der Mitte des sich drehenden Sonnensymbols als gestempeltes Ornament aber auch als einzelnes Motiv auf Silber und Holz begegnet uns das Radkreuz, auf dem der Grund des Ornamentes durch vier sphärische Dreiecke besonders betont wird. Es tritt also nicht nur das Muster in Erscheinung, das auf Töpferwaren durch einen als Radkreuz eingeschnittenen Stempel entsteht, sondern auch das Muster des Stempels selbst (Tafel II, Abb. 40 bis 42, Dosen, in Holz geritzt).
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(40-42) Sonnensymbole
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Dieses Motiv (Abb. 40) entspricht der buddhistischen „Perle der Erleuchtung“, die der Botthisva auf Stirn oder Brust trägt, wie z.B. auf den Wandmalereien in Chotscho (Turfan), auf denen es aber auch schon als Textilmuster erscheint. Das Motiv kommt auch sonst in der Kunst der nicht buddhistischen Völker Asiens vor. Als Beispiel sei hier nur ein Zauberanhänger der Osseten genannt (Abb. 22).
Dieses Motiv lässt sich in Sibirien bis in sehr frühe Epochen zurückverfolgen: schon auf der Keramik der Andronovo-Zeit (1700 bis 1200 v. Chr. Bronzezeit) wurde es im Altai abgebildet. Demzufolge ist es nicht sicher, ob es sich dabei tatsächlich um ein buddhistisches Motiv oder um eine bestimmte Form eines Radkreuzes handelt.
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Zweifellos gehört auch das Kreuz aus fünf Quadraten (Tafel II, Abb. 32, Schmuckplatte, Silber, graviert) zur Gruppe der alten Kreuzmotive, so wie das im ostjakischen Sonnenkreis (siehe früher in Abb. 19) erscheint. Zu den Ugriern gehört dieses Motiv schon seit der Bronzezeit (1700 bis 1200 v. Chr.). Als Schmuckmotiv kommt es auch bei den Samojeden, den Juraken, Keten, Altaiern, tungusischen Stämmen, Burjaten und Kirgisen vor.
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Kreuze
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Auch Ornamente auf Schmuckplättchen repräsentieren altes sibirisches Kulturgut (Abb. 35 und 36, Schmuckplättchen, Silber, gestanzt). Man findet sie in gleicher Form im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. am Jenissei und im sarmatischen Gebiet östlich vom Schwarzmeer. Hier im Altai verwendet man sie noch bis ins 5. bis 8. Jahrhundert n. Chr.
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Schmuckplättchen
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Unter den heutigen sibirischen Völkern stellen nur noch die Ostjaken solche Muster in der gleichen Art wie die Jakuten her (Tafel II, Abb. 26, Töpferstempel, Holz, geschnitzt). |
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vier Kreise
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Im Ordos-Gebiet hatten die aufgenähten Schmuckplättchen in der Zeit der Han-Dynastie ein anderes Aussehen. Ihr Muster war ein Fuchskopf mit zwei Rosetten. Die Schmuckplatte (Tafel II, Abb. 38, Silber, gestanzt), in die der Schmied zwei Winkel und einen Punkt gestanzt hat, erinnert an eine solche Stilisierung. |
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Fuchskopf
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Ein häufiges Reihenornament besteht aus dem Grund des Kreuzmusters, in Form von vier Quadraten, und damit abwechselnd einem neun Mal so grossen durchkreuzten Quadrat (Tafel II, Abb. 49, Dose, in Holz geritzt).
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Quadrate
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Eine andere Variante ist „timäx tördö oju“, das Knopfunterlagen-Ornament (Tafel II, Abb. 47 und 48, Kumysgefäß, in Holz geritzt). Das Motiv, die eingeschriebenen Rhomben, ist als Unterlage auf die Mäntel genäht, damit die Knöpfe nicht so schnell ausreissen.
Das einzelne, auf der Spitze stehende Quadrat, das sich oft auch zum Rhombus verzieht, tritt offenbar als ein Zeichen der Heiligkeit oder des Segens schon auf alten chinesischen Bronzen der Tschou-Kultur zwischen den Hörnern der Tierköpfe auf. Oft treten auch zwei einbeschriebene Rauten (Rhomben) an seine Stelle. Genau in der gleichen Form verzieren noch heute die Bewohner von Celebes (der indonesischen Insel Sulawesi) die geschnitzten Köpfe der Büffel. Das Rhombenmotiv kommt nicht nur in Ostasien, sondern auch im Vorderen Orient und in Südsibirien vor.
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(47+48) Knopfunterlagen
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Auch das Kammmuster ist oft mit verschiedenen Kreuzornamenten verbunden (Tafel II, Abb. 51, Satteldecke, Tuchmosaik). Zum Beispiel auf einem hölzernen Gefäß (Tafel II, Abb. 53, Büchse, in Holz geritzt), wurden schlichte Quadrate mit dem Kammmuster zusammengeführt und (Tafel II, Abb. 52, Tasse, Holz geschnitzt) ein Zickzackmuster als drittes Element hinzugefügt.
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Kreuz-Kamm-Muster
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Das Himmelsornament:
Eines der häufigsten Ornamente in Holz bildet die Verbindung von Doppelbögen, die aneinander anschliessen und einander womöglich berühren. Es heißt „sarbynnax oju“, „hängendes Ornament“. Das Muster bleibt immer gleich: Bogen und Kreuzfigur (Tafel II, Abb. 54, Schachtel, in Holz geritzt, und 55 bis 58, Kumysgefäss, in Holz geritzt).
Dieses Himmelsornament kommt als Nachbildung der runden Kuppel vor. Das die vom Kreuz abgeleiteten Figuren, die, wie bereits erwähnt wurde, Gestirne darstellen, bestätigt, dass man diesen Figuren astronomische Bedeutung zuschreiben kann.
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Himmelbogen
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In einzelnen Fällen schliesst aber nicht nur der Untergrund, sondern das Muster selbst, das Kreuz, an die Bogenlinie an (Tafel III, Abb. 12, Wandbehang, Rindenstück benäht, und 14, Dose, in Holz geritzt).
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(12+14) Wandbehang und Dose
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Bei einer anderen Arbeit auf Silber sind in die runden Formen zwei Kreise eingeritzt (Tafel III, Abb. 1, Zopfschmuck, graviert).
Häufig wird die Gruppe von vier Quadraten aber auch durch ein einziges Quadrat ersetzt, das auf der oberen Seite dann direkt in den Zwickeln der Bogen sitzt, unten aber an einem Strick wie an einer Schnur zu hängen scheint (Tafel III, Abb. 2, 5, Kumysgefäss, in Holz geritzt, und 3, Kumysgefäss, Holz, Keilschnitt).
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Wenn man um dieses Ornament eine Umrisslinie zieht, so entsteht eines der charakteristischen Ornamente der Tungusen (Abb. 23).
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Auch die Jakuten selbst verzieren viele Gegenstände des Hausrates oder der Kleidung damit (Tafel III, Abb. 6, Kumysgefäss, Holz, Keilschnitt, und 7, Mantel mit Silberplättchen benäht).
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Himmelbogen
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Nach dem vorliegenden Material zu urteilen, das zudem wohl auch noch früher gesammelt wurde, kommt das Ornament im Zusammenhang mit den Tungusen vor. Man kann annehmen, dass dieses Ornament schon seit langem bei den Tungusen und Jakuten, oder vielmehr deren Vorfahren, die schon um die Zeitenwende im Lenagebiet lebten, verbreitet war. Die Jakuten haben das Ornament vielfach verändert, diese Freude an der Variation ist bei keinem nordsibirischen Volk so ausgeprägt wie bei ihnen.
Die Variante, aus der man am einfachsten die Grundform ablesen kann, ist ein schlichtes Bogenelement mit einem Quadrat (Tafel III, Abb. 3 und 4, Kumysgefäss, Holz, Keilschnitt).
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Himmelbogen
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Schwieriger wird es beim Muster (Tafel III, Abb. 8, Kumysgefäss, Holz, Keilschnitt, und 9, Tasse, Holz, Keilschnitt).
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Himmelornament
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Eine bei den Tungusen weit verbreitete Form des Himelsornamentes ist hier verdoppelt, wie Abbildung 24 verdeutlicht.
Ausser bei den Tungusen fand sich nur eine einzige Parallele zu den jakutischen Himmelsornamenten (Tafel III, Abb. 12, Wandbehang, Rindenstück, benäht). Es ist auf einer Urne aus dem Sille-Reich in Nordkorea (57 v. Chr. bis 935 n. Chr.) gefunden worden, ungefähr aus dem Gebiet, das man als die Urheimat der Tungusen betrachtet.
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Wandbehang
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Die Jakuten bekamen viele Anregungen aus China, vor allem aus dem Norden. Wie etwa die Widderhörner, die nachweislich nicht die Tungusen vermittelt haben. Leider kann nicht immer die Frage nach dem Ort der Entstehung oder Entlehnung klar erkannt werden. Ähnliche Motive wie das jakutische Himmelsornament sind in Asien sehr weit verbreitet.
Tatsächlich sind Zackenmuster bei den Burjaten eine beliebte Borte, die im Inneren der Jurte dort angebracht wird, wo die senkrechten Stangen auf die des Daches stossen. Auch die Jakuten verwenden auf den alten Wandbehängen aus Birkenrinde, die in den damaligen Stangenzelten aufgehängt wurden, immer das Zickzack oder den Bogen mit Kreuzen, also eine Form des Himmelsmusters (Tafeil III, Abb. 5, Kumysgefäss, in Holz geritzt, und 12).
Borte
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Wie lebhaft die Jakuten den Himmel sich vorstellten, bezeugen kleine runde silberne Scheiben (links) mit einer achtblättrigen Rosette im Zentrum, die an kurzen Perlenschnüren in der Mitte jedes Bogens befestigt waren und die Sonne darstellen sollten.
Die bisher beschriebenen Muster lassen sich in einer Gruppe zusammenfassen: Ihre Grundform bildet das Kreuz. Die Jakuten sind keineswegs das einzige Volk, bei dem diese Ornamente vorkommen. Genau den gleichen Stempel aus Rentierhorn benutzten die Ostjaken am Jugan, um Muster auf die weiche Birkenrinde oder auch auf Dosen zu drücken.
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Quadrate mit einem einbeschriebenen Kreuz stehen für Gestirne. Das Radkreuz dagegen wird auf jakutischen Zeichnungen oft als Darstellung der Schamanentrommel gesehen. Bekanntlich gilt aber das Radkreuz fast überall als Symbol für die Sonne und weist als solches ein ebenso hohes Alter auf wie das Kamm- und das Dreieck-Ornament: Es tritt schon zu Zeiten auf, in denen der Gebrauch der Metalle dem betreffendem Volk noch nicht bekannt war. Viele Völker bilden auch heute noch Sonne und Sterne in dieser Art ab. Kreuze kommen auch mit einer doppelten Bogenlinie vor, als Himmelsornamente, wobei die Kreuze die Gestirne am Himmel darstellen sollen.
Das Ornament aus einer Gruppe von vier Dreiecken hat eine noch viel weitere Verbreitung. Unter den finnougrischen Völkern rechnen es die Syrjänen und Udmurten im europäischen Teil Russlands zu ihrem Motivschatz. In Sibirien gehört es zum Schmuck der Samojeden, Juraken, Keten, der Tungusen am Jenissei, der Dolganen, der Bewohner von Tuwa, der Schoren, Altaier, Kirgisen, Karakirgisen (Bergkasachen) und Bergtadschiken, und es ist sogar bei den mongolischen Burjaten zu finden.
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Die geometrischen Flächenornamente
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In ihrem Motivschatz unterscheiden sich die geometrischen Flächenornamente nicht von den Reihenornamenten. Auch kann man die Grenze zwischen Flächen- und Reihenkompositionen nicht eindeutig festlegen, weil eine Fläche oft mit mehreren Reihenornamenten überzogen ist (Tafel III, Abb. 17, Teppich, Fellmosaik). Die geometrischen Flächenornamente kommen jedoch selten vor. Nur ein einziges Ornament (Tafel III, Abb. 13, Satteldecke, Tuchmosaik) hat einen flächigen Charakter, es wird als Ganzes von der Begrenzung der Fläche abgeschnitten, ohne organischen Abschluss. Solche Arbeiten wurden aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. am Jenissei und ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. im Altai-Gebiet gefunden.
Die Umrisslinien sind von einer Variante des Himmelsornaments begleitet (Tafel III, Abb. 5, wie auf Kumysgefässen, in Holz geritzt). Die Quadrate wirken nicht sehr sorgfältig ausgeführt. An der linken Schmalseite befindet sich die Form dieses Ornamentes (Tafel III, Abb. 7, wie auf Mänteln, mit Silberplättchen benäht). Das Himmelsornament tritt dadurch klar hervor, dass zwei der rhombusartigen ausgeschnitzten Figuren vier Punkte tragen, die man von den Kreuzmotiven ableiten kann.
Die Ornamentik auf einem Kasten (Abb. 15) fällt zur Gänze aus dem Rahmen.
Diese Verzierung wirkt unter den übrigen jakutischen Mustern fremd. Vielleicht handelt es sich um eine kalendarische Darstellung, da sich im Mittelteil 15 Quadrate befinden, d.h. die Hälfte der Tage eines Monats, dazu ergänzend der runde „Kopf“ und das grösste Quadrat. Die Zahl 15 ist insofern beim Kalender der Jakuten sehr wichtig, als diese den Monat in eine dunkle und eine helle Hälfte einteilen. Die zweite, dunkle oder „alte“ Hälfte zählt man rückwärts (also der 15., 14., 13. Tag usw.). Darin wie in anderen Einzelheiten gleicht die jakutische Zeitrechnung der der Inder, Perser und Tibeter. Die sieben geschnitzten Figuren an der linken Schmalseite entsprechen den Wochentagen.
Das Material für geometrische Ornamente bilden, abgesehen von wenigen Metallarbeiten, immer Holz, Ton, Tuch oder Fell. Die Schmiede hatten ihre eigenen Muster. Die Herkunft der schlichten geometrischen Motive genau festzulegen, erscheint beinahe unmöglich. Dreiecke, Zickzacke, Bogen, Quadrate usw. kommen bei allen Nachbarn vor und gehören zur Ornamentkunst vieler Völker.
Viele dieser Motive tauchen schon unter den Funden der frühesten Epochen der sibirischen Geschichte auf (2000 bis 3000 v. Chr.).
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Die Spiral- und Pflanzenornamente
Diese Art der Verzierung trifft man bei den paläosibirischen, den tungusischen, samojedischen oder ugrischen Stämmen weniger an.
Eine Ausnahme unter den paläosibirischen Stämmen bilden die stark chinesisch beeinflussten Amurvölker, also die Giljaken und Ainu, unter den tungusischen Stämmen die Golden, Oroken und Orotschen. Bei diesen tritt die Spirale überaus häufig auf. Diese Muster sind aber deutlich von den jakutischen zu unterscheiden, da sie sich nie ineinander verschlungen darstellen, sondern jeden Teil in seiner vollen Gestalt sichtbar wird, wobei zwei Spiralen einander natürlich berühren können. In ihren Zeichnungen (den Pflanzenornamenten) fällt es nicht schwer, mongolischen, russischen und sogar chinesischen Einfluss zu erkennen, auch eine Verwandtschaft zu den Kirgisen oder anderen südsibirischen Turkvölkern. Vor allem wurden als Füllsel vielfach russische Ranken- und Barockornamente übernommen. Die Jakuten waren hervorragende Meister in der Verarbeitung von Imitationen. Im Gegensatz dazu stellen die Amurvölker ihre Spiralornamente als Bandgeflecht dar, in dem einzelne Bänder sich verschlingen. Doch sind die Motive zu jenen der Jakuten sehr unterschiedlich. Die vielen Umbildungen des Tierkopfes, des sogenannten Taotie (Abb. 109 unten), des Fisches oder des Vogels kommen in dieser Form bei den Jakuten nicht vor. Man kann also zwischen den beiden Gebieten, in denen die Spiralornamentik häufig in Erscheinung tritt, doch keine nähere Verwandtschaft entdecken.
Taotie
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Die Spirale: Die einfache unverbundene Spirale kommt bei den Jakuten selten vor.
Auf einer Pinzette und einer Schmuckscheibe (Tafel III, Abb. 18, Silber, graviert; 20 und 21, Pinzette, Silber, graviert) sind die Spiralen isoliert voneinander in waagrechter Reihe oder untereinander angeordnet. Auf einer anderen Schmuckscheibe (Tafel III, Abb. 24, Beschlag auf Männergürtel, Silber) dagegen berühren sich die Spiralen, und so entsteht ein Reihenornament.
Auf Satteldecken ist die Spirale ein beliebtes Motiv. Jede Spirale hat eine andere Farbe (Tafel VI, Abb. 4, 8 und 10, Tuch, Perlenstickerei, 6 und 13, Tuch, bestickt, und 14, Leder, bestickt).
Weit häufiger als diese einfachen Spiralen kommt die doppelte Einrollung beider Enden einer Linie vor (Tafel III, Abb. 25, 37, auf einer Gürtelschnalle, Silber, Halbrelief, und 39, vermutlich Darstellung einer Kuh, geschnitzt).
Dies geschieht entweder nach zwei verschiedenen Seiten hin und ergibt die sogenannte S-Spirale, oder in die gleiche Richtung (Tafel III, Abb. 26, Beschlag auf Zaumzeug, Silber, graviert).
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Spiralen
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Die S-Spiralen finden sich in fast allen Fällen nicht vereinzelt zwischen den anderen Motiven, sondern zu Reihen zusammengefügt (Tafel III, Abb. 28, Lanze, Eisen graviert, 29 bis 31, Schmuckplättchen, Silber, graviert, 32, Schachtel, geritzt und 33). |
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Auch die Glieder der silbernen Ketten werden mitunter in dieser Form geschmiedet (Tafel III, Abb. 38, Handschuh, Leder, bestickt, Tafel X, 23 und 24, Schachtel, in Holz geritzt).
Dieses Motiv tritt sowohl auf Holz als auch auf Metallarbeiten auf.
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Spiralen
Spiralen
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Die Ranken:
Ein gutes Beispiel für Ranke und Spirale stellt das Muster einer hölzernen Schachtel dar (Tafel III, Abb. 35, Schachtel, Holz geritzt).
Ranke
Die intermittierende Wellenranke (Abb. 3 bis 7) setzt sich aus S-Spiralen zusammen.
In der Kunst Griechenlands und des Vorderen Orients hat sich dafür der Terminus „Wellenranke“ etabliert. Man unterscheidet nur zwischen der einfachen und die „intermittierenden“ Wellenranke, welche auch in der Ornamentik der Jakuten eine Rolle spielen (Tafel IV, Abb. 3 bis 6, Schachtel, Holz geritzt und 7, Schmuckplatte, Silber, graviert).
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(3-7) Wellenranken
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Die einfache Wellenranke macht dagegen viel eher den Eindruck eines natürlichen Pflanzenstieles (Tafel IV, Abb. 10, Schachtel, in Holz geritzt). Der Stiel der Wellenranke wurde mit doppelter Linie gezeichnet.
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einfache Wellenranke
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Die Jakuten führen die intermittierende Wellenranke immer in zwei Linien aus. Wenn die spiralförmigen Enden sich aber sehr stark einrollen, setzen sie die Doppellinie dort nicht mehr fort. Sie fassen diese Rankenornamente meist als Pflanzenmuster auf und gestalten sie nur selten anders.
Auf einem hölzernen Kasten kommt eine sehr originelle Variante der einfachen Wellenranke vor (Tafel IV, Abb. 13, Kumysgefäss, Holz, Keilschnitt).
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Wellenranke
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Auf einer hölzernen Dose ist das Ornament der intermittierenden Wellenranke mit vier Punkten versehen, und Quadrate dienen als Zwickelfüllung (Tafel IV, Abb. 4, in Holz geritzt).
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Deutlich zeigt sich hier, dass dieses Motiv in das Muster eingearbeitet ist (Tafel IV, Abb. 5, Schachtel, in Holz geritzt). Die Spiralen fallen gänzlich weg.
Eine andere Variante des Musters gleicht die Zwickelfüllung der Himmelsornamente aus (Tafel IV, Abb. 6, Schachtel, in Holz geritzt). |
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(Tafel IV, Abb. 24, Armband, Silber, graviert): ein Beispiel für die dritte Form der jakutischen Ranke. Es basiert auf der Doppelspirale, bei der sich beide Einrollungen nach einer Seite richten und mit Pflanzenmotiven verbinden. |
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Auf dem Ornament auf einem Armband (Tafel IV, Abb. 25, Silber, graviert) sind die Teile des Muster genauer zu erkennen.
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Die einzelnen Doppelspiralen fügen sich nicht direkt zusammen. Diese Form der Ranke wird bei komplizierteren Pflanzenornamenten auf Schmiedearbeiten verwendet, auf Erzeugnissen der Heimarbeit hingegen findet sie sich nie.
Bei einem Muster wird das Rankenornament auch aus Doppelspiralen, die nur nach einer Seite hin gewendet sind, zusammen (Tafel IV, Abb. 11, auf Kalender, Silber, graviert).
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Doppelspirale
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Die Rundung ist bei jeder Doppelspirale noch einmal durchschnitten (Tafel IV, Abb. 12, Sattel, Silber, graviert).
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Doppelspirale
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Pflanzenmotive: Die Jakuten haben nicht eine einzige Pflanze ihrer heimatlichen Flora unter die traditionellen Motive aufgenommen, obwohl über die Hälfte der Gegenstände, die verarbeitet wurden, mit Pflanzenornamenten variiert sind. Eine treue Nachbildung war bei ihnen allgemein nicht üblich. Die Naturvölker stellten mehrheitlich nur Dinge in geometrischen Formen dar, die ihr Denken besonders stark beeinflussten, also meist Gefährliches, etwa Dämonen, Geister oder Menschen, die mit einer besonderen Macht ausgestattet waren. Daher kommt auch der Frage nach dem religiösem Gehalt in den Ornamenten Gewicht zu. Die Pflanze drängt sich nicht in den Gedankenkreis des einfachen Menschen, solange sie nicht Symbol einer Macht darstellt oder für kultische Zwecke gebraucht wird. Dies erklärt, warum bei den Jakuten eigene Pflanzenmotive wahrscheinlich eher eine Seltenheit sind. Sie enthalten vielfach Grundformen der Spirale oder Ranke. Es handelt sich nicht um autochthone Motive, sondern sie sind von den Hochkulturen Asiens entlehnt.
Die Blüte: Auch die Blüte auf den Ornamenten erinnert in keiner Weise an natürliche Blumen. Vielmehr kann man an ihnen die Kennzeichen des im Profil betrachteten Lotus aus dem Vorderen Orients und aus der Mittelmeerwelt wiederfinden.
Hier zwei Voluten (spiralförmige Einrollungen), die kaum diesem Lotuskonzept entsprechen (Tafel IV, Abb. 29, Beschlag auf Sattel, Silber, graviert, und Abb. 25). |
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Blüttenblättermotive
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Die drei Bögen über den Zäpfchen gleichen in der Krone aus Blütenblättern eher den Lotusdarstellungen des Vorderen Orients (Abb. 26). |
Ein quer gestreifter Mittelteil des ornamentalen Motives wird von den Jakuten als eigentliche Blüte aufgefasst, während die Voluten den Blattkelch repräsentieren. Man erkennt das daran, dass diese Zwickelfüllung von den Voluten gelöst auftritt oder nur durch einen Stengel mit ihnen verbunden ist (Tafel IV, Abb. 28, Beschlag auf Zaumzeug, Silber, graviert, und Tafel V, 4, Armband, Silber, graviert).
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Blüte (Voluten)
(4) Blüten
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Schliesslich kann der Abstand zwischen der Blüte und dem Kelch so zunehmen, dass die beiden Voluten gar nicht mehr wie Kelchblätter wirken. Stattdessen umrahmen andere, natürlichere Kelchblätter die Blüte (Tafel V, Abb. 7, Sattel, Silber, graviert, und 8, Beschlag auf Männergürtel, Silber, graviert).
Wenn man den Volutenkelch nur als zwei Blätter am Stengel der Blüte auffasst, so können natürlich mehrere davon übereinander angeordnet werden, denn eine Blüte hat nur einen Kelch. Aus einem Stiel können aber beliebig viele Blätter herauswachsen. Diese Entwicklung verdeutlicht dieser Silberbeschlag eines Männergürtels (Tafel IX, Abb. 4, Beschlag auf Männergürtel, Silber, graviert, und Tafel VII, 28, Schmuckplättchen, Silber, graviert - unten).
Es lässt sich nicht endgültig feststellen, ob der Schmied an der Spitze des Stieles eine Knospe oder ein Blatt darstellen wollte. Eines scheint jedoch klar: Zwischen alle sich auseinanderbiegende und an Voluten erinnernde Spiralenpaare gehört eine Zwickelfüllung. Das äussert sich auch schon bei der intermittierenden Wellenranke, wo diese Zwickelfüllung zum wichtigsten Teil des Ornaments wird, während die spiralförmigen Abzweigungen verkümmern (Abb. 28).
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(7+8) Blüten
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Diese Zwickelfüllung besteht bei den Pflanzenornamenten entweder aus den drei Bögen, die sich über jeder Blütenform als Überrest der schon im Vorderen Orient teilweise sehr stark reduzierten Krone aus Blütenblättern befinden, oder aus einem Stiel mit Blättern, der aus dem Winkel zwischen den Spiralen emporwächst. Im Aufbau bilden diese beschriebenen Pflanzenmuster eine deutliche Parallele zum Palmettenbaum des Vorderen Orients.
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Das Blatt: Noch am ehesten den Naturvorbildern gleichen die Blätter auf den Ornamenten. Die Jakuten pflegten sie als runden oder spitz zulaufenden lappenförmigen Auswuchs am Stengel darzustellen. Der Stiel enthält die Grundform des Ornaments, nämlich Spiralen oder Ranken. Blätter bilden immer nur Zusätze (Tafel IV, Abb. 20, Halskette, Silber, graviert, und 21, Armband).
Die Form des Blattes ist von der Tradition nur insoweit festgelegt, dass es etwa die Umrisse eines Weidenblattes haben muss. Ob es dabei Spitz zuläuft oder abgerundet ist, eine geschwungene oder ovale Gestalt besitzt und mit oder ohne Blattstiel und Adern abgebildet wird, bleibt dem einzelnen überlassen. So wird das Blatt bei Einlegearbeiten aus Messingdraht zu einer Linie, während man es auf den Schöpflöffeln für Kumysgefässe durch eine Kerbe darstellt, ihm also eine spitz-ovale Form gibt (Tafel V, Abb. 21 bis 24, Stiel eines Löffels, Holz, gekerbt und Tafel VI, Abb. 1, Stiel eines Löffels, Holz, gekerbt - siehe nachstehend links).
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(21.24) Blatt
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Bei ganz kleinen Arbeiten wirkt dagegen die Umrisslinie leicht unklar und gleicht dem Tannenmuster (Abb. 16).
Die Blätter sind keineswegs immer durch einen Stengel mit dem Spiralen- oder Rankenornament verbunden, manchmal füllen sie auch freistehende Räume auf der verzierten Fläche aus (Tafel III, Abb. 35, Schachtel, in Holz geritzt).
Das ist allerdings nicht auf den Arbeiten der Silberschmiede zu beobachten, sondern nur auf den wenigen Produkten der Heimarbeit.
Eine solche Form besteht aus drei ovalen Blättern (Tafel III, Abb. 19, Frauenkappe, Tuch, bestickt).
So fügen die Jakuten auch drei Blätter zusammen, die eine ganz runde Form haben, wie dieses Rankenornament (Tafel IV, Abb. 7, Schmuckplatte, Silber, graviert).
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Tannenmuster
Ranke
Blätter
(7) Blätter
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Auf Satteldecken findet dieses Dreiblatt besonders häufig Anwendung. Hier lässt sich der Unterschied zwischen Spirale und Blatt nicht klar erkennen. (Tafel VI, Abb. 9, Satteldecke, Tuch Perlenstickerei und 14, Satteltasche, Leder bestickt)..
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Die Herkunft der Reihenornamente mit Spiral- und Pflanzenmotiven
Die Jakuten halten sich streng an die drei Typen der Ranke oder eine bestimmte von der Tradition vorgeschriebene Anordnung der Spiralen. Ebenso ist die Grundform der Blüte festgelegt: Entweder entspricht sie Lotusblume der im Profil, wie sie auf archäologischen Funden im Raum Irak vorgefunden wurden, oder, wenn sie en face gezeigt wird, hat sie das Aussehen einer Rosette.
In der russischen Ornamentik werden Spiralen und Ranken häufig eingesetzt. Sie verbinden sich stets mit Pflanzenmotiven. Tierische und menschliche Gestalten sind am häufigsten. Diese biomorphen Gestalten gibt es bei den Jakuten aber nicht.
Während die aus der Doppelspirale entstandene Ranke bei der russischen Ornamentik überhaupt nicht vorkommt, lassen nur wenige Ornamente auch schon Arbeiten aus dem 17. und 18. Jahrhundert das Grundprinzip solcher intermittierenden oder einfachen Wellenranken erkennen. Oft bilden auch nur zackige Akanthusblätter die Ranken, während der eigentliche Stiel ganz verschwindet. Diese Veränderungen des vorderasiatisch-griechischen Rankenornaments bahnen sich erst in der römischen Kaiserzeit an, um dann in Byzanz zur vollen Ausprägung zu gelangen. Die Formen der russischen Pflanzenornamentik überkreuzen sich auch in der gleichen Art wie die Bandgeschlinge der vorchristlichen germanischen Kunst. Die Russen haben also die spätere byzantinische Form der Rankenornamente, deren Prinzip nach Ägypten zurückzuverfolgen ist, übernommen und weiterentwickelt. Dass Pflanzen dargestellt werden, zeigt den Einfluss der Mittelmeerwelt. Eine solche Entwicklung blieb der jakutischen Ornamentik völlig fremd, wie auch den Burjaten und den noch weiter südlich lebenden Mongolen.
Bei den Völkern im Altai- und Sajangebiet verschwanden die alten Muster nach der Ankunft des lamaistischen Glaubens. Nur auf Schamanentrommeln findet man noch die alten Zeichen. Die Gebrauchsgegenstände werden mit Motiven bemalt, die von chinesischen Textilien kopiert sind. Andere Dinge, wie Schränke oder Lackkästen, werden direkt importiert. Ähnlichkeiten mit den jakutischen Beispielen lassen sich nicht erkennen.
Auch bei den Kirgisen und Karakirgisen (Bergkasachen) kann man, abgesehen von vereinzelten Beispielen in der einfachen Wellenranke, keinerlei Parallelen entdecken, obwohl sie Pflanzenornamente und Spiralen anwenden. Im Übrigen hebt sich die kirgisische von der jakutischen Ornamentik durch ein völlig anderes Stilgefühl ab. Die Jakuten unterscheiden im Gegensatz zu den Kirgisen und anderen südsibirischen Nomadenvölkern sehr streng zwischen Muster und Grund. Daher wirken ihre Ornamente viel ruhiger. Während die Jakuten sich also darauf beschränken, in sparsamer, aber höchst gefälliger Weise Ornamente zu verteilen, lieben es die Kirgisen wie auch die benachbarten Sarten (ein iranischer Volksstamm) und die Usbeken, alle Gegenstände, die für sie einen gewissen Wert haben, mit Verzierungen zu überladen und die Flächen damit ganz auszufüllen. Auch in der Farbgebung wirken die kirgisischen Ornamente ganz anders. Die Farben tendieren mehr zu Pastelltönen, und die Farbe Blau tritt häufiger auf, während die Jakuten nur Schwarz und die Farben Rot, Gelb und Grün verwenden. Blau dagegen ist bei ihnen selten.
Da also keinerlei Parallelen mit dem heutigen Südsibirien aufzuweisen sind, können höchstens in der vorgeschichtlichen Einwirkung auf die Ornamentik und durch den Einfluss von türkischen Vorfahren der Jakuten solche Motive beobachtet werden.
Die Spirale taucht erstmals in der Epoche des Tierstils seit der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. in der Ornamentik Südsibiriens auf. Ihre örtliche Entstehung wird auf eine schematisierte Darstellung des Widderkopfes zurückgeführt (Abb. 27). Da ein Widderkopf nicht leicht darzustellen war, hat man ihn nachträglich in zwei Doppelspiralen vereinfacht (Abb. 28). In der Folgezeit trat die Doppelspirale nicht mehr nur an Griffen von Messern, sondern auch als Schmuck anderer Gegenstände in Erscheinung. Die Kirgisen verwenden sie viel in der Ornamentik, ohne sie aber abwechselnd nach oben und nach unten gerichtet anzuordnen wie die Jakuten.
Sehr eindrucksvoll sind die Funde von der frühen Pazyryk-Kultur. Neben Spiralen, auf denen noch die Windungen des Widderhornes nachgebildet sind, finden sich auf mehreren Satteln der späteren Pazyryk-Kultur eher ganz abstrakte Spiralmuster (Abb. 29).
Pflanzenornamente
Als diese weitgehende Vereinfachung der Widderhorndarstellung, schmückte man neben Tiermotiven auch sehr oft Textilien oder anderen Schmuckstücke mit Pflanzenornamenten. Diese Motive (Abb. 30 und 31) sind mit Applikationen auf Wandteppichen aus der Pazyryk-Zeit mit dem Muster der glasierten Ziegel im Palast Nebukadnezars in Babylon vergleichbar. Man datiert diese Gräber der Pazyryk noch in das 6. bis 2. Jahrhundert v. Chr. Die vorderasiatischen Motive erscheinen hier sehr früh. In anderen östlicher gelegenen Gebieten, wie z.B. am Jenissei und in der Mongolei, haben sie sich, nach den bisherigen Funden zu urteilen, erst später durchgesetzt. Diese Tatsache kann damit begründet werden, dass die Jenissei-Kirgisen und die Mongolen in erster Linie Beziehungen zu China pflegten, während im weiter westlich gelegenen Altai vor allem die Einflüsse von Westen, Süden und Südwesten, also aus dem achämenidischen Persien, den Reichen des Zweistromlandes und den westlichen Skythen, von den Saken zwischen Kaspischem Meer und Aralsee und den Massageten geltend wurden, obwohl Parallelen zu den späteren Funden in der Mongolei nachgewiesen werden können. Zeugen für die Wanderung der Motive sind die Funde im Amu-Darja-Gebiet (der Fluss entspringt am Pamir).
Nicht nur die Griechen bewunderten die unerhörte Prachtentfaltung in den vorderasiatischen Reichen dieser Zeit und priesen die hängenden Gärten der Gattin Nebukadnezars als Weltwunder. Auch auf die Nomadenstämme muss dieser Reichtum Eindruck gemacht haben, da er sich in zahlreichen Imitationen ihrer Kunst äusserte. Unter diesen Umständen wurden die Muster offenbar nicht wegen ihrer religiösen Symbolik übernommen, sondern um grossen Wohlstand darzustellen. Sie waren gewissermassen zu „Prestigeobjekten“ geworden.
Vergleicht man diese Motive, die Einflüssen aus dem Vorderen Orient zu verdanken sind, mit den jakutischen Schmuckformen, so zeigen sich augenfällige Parallelen. Sowohl die einfache als auch die Doppelspirale kommen nicht nur im Jenissei-Gebiet vor, sondern man fand sie auch häufig in den Gräbern der Pazyryk-Kultur (Abb. 32).
Doppelspirale
Auf einem anderen Fundstück ist das Muster der einfachen Wellenranke teils in Goldfolie ausgeschnitten und auf einem Ledergurt aufgenäht und teils gestickt (Abb. 33).
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Wellenranke Spirale
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Eine Applikation (Tafel IV, Abb. 11 Schachtel, in Holz geritzt) gleicht diesem Muster.
Auf einer anderen bildet eine S-Spirale das Motiv (Tafel III, Abb. 38, Handschuh, Leder, bestickt). |
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Spirale
Spirale
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Eine sogenannte „Bearbeitung“ mit S-Spiralen der Jakuten hingegen weist keine Parallelen zu den Funden aus der Pazyryk-Kultur auf (Tafel VII, Abb. 14, Schmuckplättchen, Silber, graviert).
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Schmuckplättchen
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Sie ist mit chinesischen „Bearbeitungen“ vergleichbar. Das rührt daher, dass die chinesischen Muster vom Mäander abstammen. Auch ein Schmuckplättchen aus der Pazyryk-Kultur (Abb. 35) gleicht auffällig einem jakutischen Gegenstück (Tafel III, Abb. 36, Beschlag auf Zaumzeug, Silber, graviert).
Der Mäander ist ein seit der Jungsteinzeit verwendetes orthogonales (rechtwinkliges) Ornament (Abb. 34).
Zu diesen spiralförmigen Grundformen lassen sich aber auch bei Details der Pflanzenornamente viele Parallelen feststellen (Abb. 30). Auf einem Wandbehang aus der Pazyryk-Zeit wurde eine Blüte abgebildet, wie sie die Bewohner des Altai im 5. bis 3. Jahrhundert v. Chr. darzustellen pflegten.
Eine jakutische Ornamentik hat dazu deutliche Parallelen (Tafel VII, Abb. 14, Schmuckplättchen, Silber, graviert).
Auffällig ähnelt die Form des Kelches auf einer Schmuckplatte (Abb. 36) dem jakutischen Muster oder einem Muster einer Schmuckscheibe (Tafel IX, Abb. 4, Beschlag auf Männergürtel, Silber, graviert).
Ebenfalls finden sich Parallelen zwischen einem Unterteil einer Decke aus der Pazyryk-Kultur (Abb. 37) und einem jakutischen Ornament (Tafel III, Abb. 19, Frauenkappe, Tuch, bestickt).
Funde aus späterer Zeit weisen weniger zahlreiche Parallelen auf. Neben einfachen Spiralornamenten ist ein Motiv, das auch weiterhin ein beliebtes Muster in der Kunst der im Altai ansässigen Völker blieb, der Blattstiel. Sein Aufbau lässt sich auf den so genannten „Palmettenbaum“ zurückführen. Eine jakutische Darstellung auf einem Gürtelbeschlag ist damit vergleichbar (Tafel IV, Abb. 26, Armband, Silber, graviert, vgl. mit Abb. 38). Sie stammt aus dem Kurgan an der Cuja (Fluss in der heutigen Republik Altai) aus dem 6. bis 8. Jahrhundert n. Chr. Dieser ist aus vergoldetem Silber geschmiedet.
Eine einfache Wellenranke ziert in der gleichen schlichten Art wie bei den Jakuten zwei Filzteppiche aus dem 6. Jahrhundert n. Chr., die in der Nordmongolei am Mittellauf der Tola (Tuul) gefunden wurden und deren Muster als sassanidisch beeinflusst gelten (Abb. 39).
Das zentrale Muster erinnert an den folgenden Aufbau von Teppichen (Tafel VI, Abb. 17 und 18, Pinzette, Silber, graviert).
Die Erforschung der Vorgeschichte des Altaigebietes ist zur Zeit noch äusserst lückenhaft. Jedoch kann durch Vergleiche jakutischer Ornamente mit Mustern der Altaibevölkerung im letzten Jahrhundert v. Chr. und teilweise im 6. bis 8. Jahrhundert n. Chr. sowie mit einzelnen Motive aus der Nordmongolei des 6. Jahrhunderts als erwiesen gelten, dass Pflanzenornamente schon seit früher Zeit zum Kulturbesitz der türkischen Gruppen der Jakuten gehört haben müssen. Sie müssen als reine Schmuckform ohne religiösen Sinn nach Südsibirien überliefert worden sein. Wer Überlieferer dieser Kulturen in Kurganen der Pazyryk war, kann nicht mit Bestimmtheit entschieden werden. Neben einem mongoliden Mann liegt eine europide Frau begraben. Sie stammen also aus der Zeit der Vermischung der beiden Elemente in dieser Zone. Zwischen den einzelnen Funden im Altai liegen auch grosse Zeitabstände.
Die Jakuten sehen offenbar keinen tieferen Sinn in den Rankenornamenten. Da aber fast alle anderen Ornamente in Holzarbeiten einen gewissen Sinngehalt besitzen, den sie wie die Bedeutung des Himmelsornamentes im vorigen Jahrhundert teilweise noch gekannt haben müssen, war es für einen einfachen Jakuten untypisch, ein sinnloses Ornament zu schnitzen. So liesse sich erklären, dass die intermittierende Wellenranke dem Himmelsornament angeglichen und auch zu den Spiralornamenten andere Zusätze hinzugefügt wurden, die noch einen Sinn für die Jakuten besassen (Tafel IV, Abb. 3 bis 6, Schachtel, in Holz geritzt).
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(3-6) Wellenmuster Himmelsornament
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Ob in diesen S-Spiralen noch Bedeutungsinhalt steckt, lässt sich nicht feststellen. Vielfach ist darauf hingewiesen worden, dass sie gerade in den Gebieten, in denen einst der Tierstil herrschte, als Tier in Agonie interpretiert werden könnte. In Kampfszenen stellte man nämlich solche Säugetiere mit verdrehtem Hinterleib dar, so dass ihre Gestalt etwa die Umrisse eines S erhielten. In den Kurganen aus der Pazyryk-Kultur wurden häufig solche S-Spiralen gefunden. Das Motiv selbst wurde auch im vorigen Jahrhundert noch häufiger im Altai abgebildet.
Die wertvollen Sachgüter der Jakuten sind in erster Linie also Schmuck aus mit Spiral- und Pflanzenornamenten verziertem Edelmetall. Abgesehen von einigen Bogenformen und den Seilzeichen finden sich nur Motive dieser Art auf den Arbeiten der Silberschmiede. Sogar Figuren, die an sich nicht gerundet sein dürften, bekommen einen Spiralansatz, wie z.B. die gekreuzten Knochen unter dem Totenschädel, einem von den Russen übernommenen Zeichen, die in leicht gebogener Form aber auch ganz zur Spirale umgedeutet vorkommen können (Abb. 40).
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Spiralen
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Das Lyra-Motiv:
(Abb. links) Das häufigste Motiv unter den Spiral- und Pflanzenornamenten hat eine Grundform, die etwa der einer Lyra oder eines lateinischen W gleicht.
Einen Wechsel von Spiralen, die wie folgt abgebildet sind (Abb. 41), in verkehrt angeordneten Darstellungen, wie sie auf archäologischen Funden in Tibet oder bei den Kasym-Ostjaken vorkommen, kennen die Jakuten nicht.
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Spiralen
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(Tafel IX, Abb. 5, Frauenkappe, Tuch, bestickt rechts). Gerade bei diesem Motiv zeigt sich die ganze Variationsfreude der Jakuten.
Lyra-Motive vereinen sich mit Spiralen oft zu einem einfachen Muster (Tafel VI, Abb. 3, Tasche, Wildleder, bestickt, und 5, Tasche, Tuch, bestickt - unten).
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(2) Tuch bestickt
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Oder sie bilden Variationen in komplexerer Form (Tafel VI. Abb. 6 und 13, Satteldecke, Tuch, bestickt, 14, Satteltasche, Leder, bestickt, Tafel VII, 11, Anhänger, Silber, graviert, und Tafel X, 2, Frauenkappe, Tuch mit Perlenstickerei siehe links).
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Beschlag auf Gürtel
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Trotz der beschränkten Zahl der Pflanzenornamente und der feststehenden Grundform wiederholt sich dieselbe Zierart auch auf gleichen Stücken sehr selten. Das zeigt sich auf diesen vier silbernen Gürtelbeschlägen, die alle von einem einzigen Gürtel stammen (Tafel VII, Abb. 1 bis 4, Beschlag auf Männergürtel, Silber, graviert).
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Schmuckplättchen
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Abgesehen von seinem Vorkommen auf gestickten Satteldecken oder auf Zaumzeug und den Gürteln der Männer ziert das Lyra-Motiv auch Schmuckanhänger der Jakutinnen, sei es in der schlichten Form als konkrete S-Spirale oder, wie beschrieben, als üppige Pflanzenornamente (Tafel VII, 16, auf einem Schmuckplättchen, Silber, graviert).
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An den grösseren und sorgfältig ornamentierten Schmuckanhängern (Tafel VII, Abb. 28, Schmuckplättchen, Silber, graviert) hängen meist mehrere kleinere.
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(28) Schmuckplättchen
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Beispiele für Rankenornamente:
(Tafel V, Abb. 1, Brustschmuckscheibe, Silber, graviert, 2, Beschlag auf Messerscheide, Silber, graviert, 3, 6, 7 und 9, Sattel, Silber, graviert, 4 und 10, Armband, Silber, graviert, 5, Schmuckplatte, Silber, graviert, 8, Beschlag auf Männergürtel, Silber, graviert, und Tafel IV, 29, Sattel, Silber, graviert).
Schwer lässt sich die ursprüngliche Gestalt des Lyra-Motives an diesem Schmuck erkennen. |
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(1-10) Rankenornamente
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Neben Wucherformen solcher Ornamente, bei denen beliebig viele weitere Spiralen oder Pflanzenmotive zugesetzt werden, treten auch Kümmerformen auf, zum Beispiel bei gröber bearbeiteten Gussformen von Schmuckplättchen. Die Umrisslinien des Musters sind dabei schwerer erkennbar (Tafel VIII, Abb. 1, Anhänger, Gussform aus Blei, 2 und 3, Anhänger an einem Ohrring, Zinn gegossen, 4 und 6, Schmuckanhänger, Blei Gussform, 5, Anhänger, Blei gegossen, 7, Handschuh, Leder bestickt, 8, Anhänger an einem Ohrring, Messing gegossen).
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Gussform
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Bei einigen Schmuckplättchen zeugt nur noch eine charakteristische Umrisslinie davon, dass ursprünglich diese zum Lyra-Motiv gehörte (Abb. 42).
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Schmuckplättchen
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Umrisslinien werden aber häufig als
Bogenreihen umgedeutet (Tafel VII, Abb.15 und 30, Schmuckplättchen, Silber graviert).
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Bogenreihen
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Bogenreihen
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Die Schmiede haben sich noch
einfacheren Muster bedient, die einem
Trapez gleichen. (Tafel VII, Abb. 9, 12 und 31, Schmuckplättchen, Silber graviert). |
Schmuckplättchen
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Schmuckplättchen
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Sehr viele nach Umrissen des Lyra-Motivs geformte Schmuckplättchen tragen eine Blüte oder einen Blattstiel im Profil (Tafel VIII, Abb. 13, Schmuckplättchen, Silber, graviert, 15 und 20, Ohrring, Silber, graviert).
Das ursprüngliche Lyra-Motiv ist jedoch nicht mehr erkennbar. Solche Muster sind auf Metall oder besticktem Tuch zu finden.
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Ohrring
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Ohrring
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Auf Holz tritt das Lyra-Motiv, wie auf einer Dose, nur in verkümmerter Form auf. Die Umrisse sind zur Gänze angepasst (Tafel VIII, Abb. 31, Schachtel, in Holz geritzt).
Die Muster lassen sich auf Holz schwerer ausführen als auf Silber, weshalb häufiger Kreuze über dem Lyra-Muster in leicht abgewandelter Form anzutreffen sind (Tafel VI, Abb. 4, 11, 12, Satteldecke, Tuch Perlenstickerei Tafel VII, 13, Schmuckplättchen, Silber, durchbrochen, 15, 16 und 23, Schmuckplättchen, Silber, graviert, Tafel VIII, 15, Ohrring, Silber, bemalt siehe nachfolgend).
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(31) Holzschachtel
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Nicht selten wird auch das Spiralenpaar durch den Winkel ersetzt, so dass es schliesslich zu einer W-Form kommt (Tafel IX, Abb. 2, Schachtel, Holz mit Knocheneinlagen, 3, Tür eines Birkenrindezeltes, aufgeklebt, 4, Beschlag eines Männergürtels, Silber, graviert, und Tafel VIII, 27, Schachtel, Birkenrinde, aufgeklebt, sowie 28, Wandbehang, Birkenrinde, aufgeklebt).
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(2) Schachtel
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(4) Beschlag eines Männergürtels
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Schachtel, Wandbehang
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Anhänger in Gussformen: (Tafel VIII, Abb. 23, Anhänger, Silber, gegossen, 24, Anhänger, Blei, gegossen, und 25, Anhänger, Messing, gegossen).
Die Schmiede haben sich noch einfacherer Muster bedient, die einem Trapez gleichen.
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(23) Anhänger
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(24+25) Anhänger
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Die Herkunft des Lyra-Motivs
Bei den Nachbarvölkern der Jakuten lassen sich auch für dieses Motiv keine Parallelen feststellen. Bei den Kirgisen kommt es vor, sie nennen diese Darstellung „Zwei Hunde streiten um einen Knochen“ (Abb. 43).
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Lyramotiv
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Hier zeigt sich deutlich, dass der Namen bei weitem nicht den ursprünglichen Sinn des Ornaments wiedergibt. Die Namen können älteren Motiven erst später zugeschrieben worden sein. Selbst bei den Kirgisen kommt das Lyra-Motiv nur vereinzelt vor und wird in keinster Weise variiert oder umgestaltet wie bei den Jakuten.
Aus solchen, schon im ersten Kurgan der Pazyryk gefundenen, zur traditionellen Form gewordenen Darstellungen des Tierkopfes ergib sich hier ein weiterentwickeltes Motiv, das im zweiten Kurgan überaus häufig vorkommt (Abb. 32, hier ist das Ornament in Goldfolie ausgeschnitten, 44, auf einem Frauenstiefel, 45 und 46, auf einer Lederflasche).
Doppelspirale
Lederflasche
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Frauenstiefel
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Unter den vorgeschichtlichen Funden taucht das Motiv als Schmuckform bei den Quryqan (einem Turkstamm Ruan Ruan oder Juan Juan genannt) auf. Im Übrigen weisen Vergleiche mit den vorgeschichtlichen Zeugnissen in Sibirien in die gleiche Richtung wie bei anderen Spiral- und Pflanzenornamenten: Nur unter den Gegenständen, die im Pazyryk ausgegraben wurden, fanden sich Parallelen.
Ornamente auf einer Goldfolie (Abb. 32), auf einem Frauenstiefel (Abb. 44) und auf einer Lederflasche (Abb. 45) im Vergleich: (Tafel VI, Abb. 6 und 13, Satteldecke, Tuch, bestickt, Tafel VII, 11, Anhänger an einem Kreuz, Silber, graviert, und Tafel VIII, 26, Kasten, in Holz geritzt).
Motive auf hölzernen Gegenständen bei den Jakuten: (Abb. 46 siehe oben, Tafel VI, 15 und 16, Beschlag eines Männergürtels, Silber, graviert siehe unten).
Beschlag eines Männergürtels
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Die Vorformen dieser Muster finden sich ebenfalls im ersten Kurgan der Pazyryk. Für diese Muster diente der Kopf des Argali offensichtlich als Vorbild. Der Widder wurde schon zu jener Zeit in diese Art mit dem Gehörn zu einer festen Form variiert, in traditioneller Weise dargestellt und nicht sehr naturgetreu wiedergegeben.
Argali |
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(Abb. 50) zeigt einen Widderkopf allein.
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Daraus erklären sich solche Ableitungen (Abb. 47 bis 49). Es scheint als ob aus Gründen der Tradition solche Darstellungen von Bedeutung waren und sich der Form der vorderorientalischen Palmette angepasst haben (ein solches Palmbäumchen ist eine symmetrische Abstraktion eines Palmenwipfels als Grundform der Ornamentik).
Ein Schritt zur Entwicklung einer blossen Schmuckform, deren Sinngehalt die Darsteller nicht mehr kennen, muss inzwischen stattgefunden haben. Daraus ergibt sich logischerweise, dass zwischen der Errichtung des ersten und des zweiten Kurgans von Pazyryk eine gewisse Zeitspanne liegt. Während der Schmuck und die Funde aus dem ersten Kurgan nur aus Tiermotiven, d.h. fast ausschliesslich dem Kopf des Argali besteht, an dem sich erste Spuren einer Entwicklung zum Spiralenmuster nachweisen lassen, haben Funde aus dem zweiten Kurgan diese Ansätze zu einer reichen Spiralornamentik herausgebildet. Zu ihrer üppigeren Entwicklung haben Einflüsse, die vom Vorderen Orient ausgingen, beigetragen. Die beiden Kurgane können auch nicht zwei verschiedenen Völkern der gleichen Zeit zugeordnet werden, da sie räumlich nicht weit auseinander liegen. Ein und derselbe Begräbnisplatz hat nicht selten vielen Generationen gedient.
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(Abb. 51): Eine aus etwas späterer Zeit stammende Ornamentik zeigt eine solche Entwicklung der Darstellung eines Tierkopfes. Die Hörner gleichen nun zwei konkreten S-Spiralen.
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Tierkopf
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Was bewegte die Bewohner des Altai dazu, immer wieder den Kopf des Argali darzustellen? Warum wurde dieses Motiv als so wichtig angesehen, dass es selbst, als man den Sinn schon vergessen hatte, noch eine der populärsten Schmuckformen blieb? Die einzigen Quellen über die Religion der Altai-Bewohner sind die Bodenfunde selbst. Um zu verstehen, was sich in ihnen ausdrückt, bleibt nichts anderes übrig, als die alten Vorstellungen zu konsultieren, die sich heute noch unter ihren Nachfahren erhalten haben. Das Schaf, auch das wilde, wird, wie in vielen Gegenden der Alten Welt, am häufigsten geopfert. Wie berichtet wird, begnügten sich die Götter der Altaivölker, wenn man ihnen ein Opfer darbot, zunächst mit einem Bild des Versprochenen oder erst einem sehr kleinen Tieropfer an seiner Stelle. Dies könnte ein Anreiz gewesen sein, das Schaf häufiger darzustellen.
Welchen Göttern man Schafe zu opfern habe, darüber gibt eine jakutische Regel Auskunft, die lehrt, dass man den Geistern des Himmels Hufenvieh, den niederen Geistern aber gehörntes darbringen muss, denn die Huftiere sind männlich, die Horntiere weiblich. Der Gegensatz HorntiereHuftiere ist nicht ohne weiteres verständlich, weil nach europäischer Auffassung erstere ja auch Hufe besitzen. Für die Jakuten gelten offenbar nicht alle Paarzeher als Huftiere, sondern nur die Pferde, die einen geschlossenen Huf besitzen.
Die Jakuten müssen in ihrem ehemaligen, südlicher gelegenen Wohngebiet auch das Argali gekannt haben. Im nördlichen, feuchteren Gebiet rentierte sich die Schafzucht nicht mehr. Als Horntier kommt daher nur die Kuh in Frage. Man weiht z.B. auf dem Frühlingsfest dem Himmel einige möglichst hellfarbige Pferde, der Erdenmutter dagegen eine Kuh. In seinem Gebet wendet sich der Schamane an den „mächtigen Stier der Erde“. Die Kuh als Opfertier wurde ja auch schon früher erwähnt. Der Einbeziehung des Gegensatzes weiblichmännlich in das System, wobei, wie gesagt, als Vertreter der oberen Welt der Mann, als Vertreter der niederen Welt die Frau gilt, entspricht die Sitte, dass noch in christlicher Zeit den männlichen Toten ihr Lieblingspferd, den Frauen dagegen eine Kuh mitgegeben wurde. In diesem Zusammenhang liesse sich die Häufigkeit der stark schematisierten Darstellungen von Kühen erklären, die bisher als Spielzeug galten, genauso wie bis vor nicht allzu langer Zeit die Puppen Geister der Jakuten darstellen sollten.
Bei den Burjaten galten Schaf und Pferd als Hauptopfertiere. Wem die Opfertiere dargebracht werden, konnte bisher leider nicht festgestellt werden. Die Haut des Pferdes wird, wie auch bei allen Altaivölkern, abgezogen und mit dem Kopf auf eine hohe Stange gehängt. Bei den Altaivölkern selbst erhält der Himmelsgott Ulgan (Schöpfer) ein möglichst hellfarbiges Pferd. Es darf ihm aber nicht von einer Schamanin, sondern nur von einem männlichen Schamanen übermittelt werden. Neuzeitlich war das nur gewissen Priestern gestattet. Die weiblichen Schamanen besitzen nur die Fähigkeit mit Erlik, dem Beherrscher der Unterwelt, oder anderen Geistern der Erde zu verkehren. Beim Opfern an Ulgan ist sogar allen Frauen die Anwesenheit strengstens untersagt. Auch wenn man das Pferd nicht schlachtet, sondern nur Ulgan weiht und ihm anschließend seine Freiheit schenkt, ist es den Frauen verboten, es je wieder anzufassen. Bei der Opferung von Schafen und Ziegen dagegen beteiligten sich auch die Frauen. Ähnliches ist beim im nördlichen Vorgebirge im Nanshan (Nordwestchinesisches Gebirge) wohnenden Volk der Gelben Uiguren zu beobachten. Frauen dürfen dort das Fleisch geopferter Pferde nicht essen.
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In der Inneren Mongolei werden der Hirsch und das Rind, also ebenfalls „Horntiere“, die alte Erdgottheiten verkörpern, verehrt. Sie begleiten auf Umzügen den Höllenfürsten „Yama“ (heute im Maskentanz der Buddhisten eine wichtige Figur), der nicht selten als stierköpfiges Ungeheuer dargestellt wird. Eine gewisse ideelle Verbindung FrauWidder zeigt sich am eigenartigen Kopfputz, der fast bei allen Mongolenstämmen vorkommt und das Gehörn des wilden Schafes, des Argali nachbildet. Er diente nur verheirateten Frauen als Kopfbedeckung. In früherer Zeit trugen ihn nicht nur die Mongolinnen, sondern auch die Frauen der reichen Kirgisen. Die Jakutinen besassen in alter Zeit ebenfalls Kappen mit zwei Hörnern darauf. Diesen Schmuck, bei den meisten Völkern „die Hörner“ genannt, kannten schon die Randvölker Chinas und die Roten Hunnen (Xionites) im chinesischen Mittelalter. Etwas später, im 5. Jahrhundert n. Chr. ist der Kopfputz offenbar auch bei den Persern auf einer Silberschale üblich (Abb. 52).
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Kopfputz
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Die türkischen Volksgruppen am Orchon brachten Schafe und Pferde als Hauptopfertiere dar. Wenn man in Betracht zieht, dass die Türken damals Himmel und Erde verehrten, so kann man die Auswahl gerade dieser Opfertiere nicht anders erklären, als dass das Pferd, wie es bei allen anderen Völkern der alten Welt üblich war, dem Himmel geweiht, der Erde dagegen das Schaf geopfert wurde. Auch in China selbst hat man Rind und Schaf dem Element Erde zugeordnet, das Pferd dagegen dem Himmel. Das Pferd gehört zum Yang-, Rind und Schaf dagegen zum Yin-Prinzip. Auch bei den Uiguren lassen sich ähnliche Beobachtungen anstellen. Neben dem blauen Himmel „Kök tengri“ berichtet eine Inschrift von der „javizjir“, der Hirsch-Erde.
Warum das Pferd nicht so oft abgebildet wurde, erklärt ein an der Harfe von den Altaiern gespieltes Lied: „Dem Ulgen wird nur selten geopfert, weil er auch sonst gut ist“. Es ist wahrscheinlich, dass die Träger der Kultur im Altai eher den niedrigen, den übelwollenden Geistern geopfert haben, um sich zu schützen. Bei der Darstellung des Widderkopfes gerade auf der Kleidung oder dem Pferdegeschirr handelt es sich also um ein Amulett. Diese stilisierte Abbildung des Widderkopfes kann man also auf die Funde im Altai des 5. Jahrhundert v. Chr. bis in 8. Jahrhundert n. Chr. zurückverfolgen. Auf die Ornamentik der heutigen Altaier übt die chinesische und lamaistische Symbolik einen entscheidenden Einfluss aus. Viele Gegenstände werden importiert. Die Altaier, Tuwiner, Telengiten, Schoren, Karagassen, Katschinen, Kisil, Kumandinen und Teleuten stellten schon am Ende des vorigen Jahrhunderts wenig eigene Ornamente dar, soweit sich das aus dem vorhandenen Material erkennen lässt. Das hier behandelte Motiv kennen sie nicht, nur die Kirgisen, und es findet sich unter den Funden, die den ebenfalls aus Zentralasien stammenden Awaren in Ungarn zugeschrieben werden. Die einzigen, bei denen es noch die gleiche bedeutende Rolle spielt, sind die Jakuten. Da auch die anderen in Pazyryk anzutreffenden Motive in der Ornamentik der Jakuten wiederkehren, kann wohl als erwiesen betrachtet werden, dass sich das jakutische Lyra-Motiv aus dem Widderkopf in Pazyryk entwickelt hat. Die Lyra-Motive, die in Holz geritzt wurden, heißen „köküör“ - „großer Kumys-Balg“ oder nach dem Kreuz am oberen Teil einfach „kirikäs“ „Kreuz“.
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Das Motiv der jakutischen Darstellung der Kühe könnte auch daraus entstanden sein (Abb. 53). Die Darstellung von Spielzeugtieren ist sehr selten. Meist schnitzte man nur aus einem Ast zwei Hörner, und schon galt er den Kindern als Kuh.
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Kuhdarstellung
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Im Zentrum einer runden Schnitzereiarbeit steht das jakutische Zeichen für die Sonne mit vier Lyra-Motiven (Tafel IX, Abb.1, auf Holz), sowie vier kleinen Blütenmotiven dazwischen. Die Anordnung von vier Lyra-Motiven um eine zentrale Figur kommt nicht selten vor (Tafel IX, Abb. 2, Schachtel, Holz mit Knocheneinlagen, Tafel VIII, 33 und 34, Schachtel, in Holz geritzt).
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Diese Ornamente sind aus Holz gearbeitete Schachteln. Im Vergleich dazu hier eine Holzdose der Burjaten (Tafel VIII, Abb. 32, Schachtel, in Holz geritzt).
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Dose
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Man kann annehmen, dass hier das Symbol der Erdgötter dem Zeichen Sonne oder einem anderen Himmelskörper zugeordnet wurde. Die Jakuten teilen die Erde in vier oder acht Himmelsrichtungen ein. Für jede ist hier ein stilisierter Widderkopf eingesetzt worden. Sowie der Schamane sich vor einer Zeremonie nach den vier Himmelsrichtungen verneigt, d.h. alle Geisterwesen ringsum begrüsst, so wurde mit dieser vierfachen Wiederholung des Motivs offenbar die Erde in ihrer Gesamtheit der Sonne im Zentrum gegenüber gestellt. Dieses Muster stellt die Gesamtheit des Kosmos dar.
Eine andere Form, diesen Gedanken zum Ausdruck zu bringen, äussert sich wahrscheinlich dort (Tafel IX, Abb. 3, Tür eines Birkenrindezeltes, Birkenrinde mit aufgeklebten Mustern, und Tafel VIII, 5, Anhänger an einem Ohrring, Blei, gegossen), wo sich über je einem Lyra-Motiv ein Abschnitt des Himmelsbogenornaments befindet. Das Muster stellt ein Reihenornament dar, so wie alle anderen Formen des Himmelsbogenornaments.
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Tür eines Birkenrindenzeltes
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Ohrring
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(Tafel VIII, Abb. 31 und 32, Schachtel, Holz geritzt von den Burjaten).
Es erscheint auch durchaus möglich, dass sich an die häufige Verbindung von Kreuz- und Lyra-Motive jedesmal der Gedanke der Darstellung des Kosmos als ganzes knüpft.
Dose
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Holzschachtel
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Die Widderhörner
Ein anderes sehr häufiges Motiv kommt auf hölzernen Dosen und Silberschmuck genau so oft vor wie das Lyra-Motiv, ohne dass sich aber auf den Gegenständen des erstgenannten Materials ganz bestimmte Formen entwickelt hätten, wie das beim Lyra-Motiv der Fall ist. Bei der Behandlung der beiden Materialien lassen sich keine wesentlichen Unterschiede beobachten. Die Grundform kommt am klarsten zum Ausdruck (Tafel X, Abb. 14, auf Schachtel, in Holz geritzt). Sie besteht aus einem Kreuz, dessen vier Arme in je zwei Spiralen auslaufen. Der Mittelpunkt des Kreuzes ist durch ein viereckiges Feld besonders hervorgehoben, kann aber auch als Kreis dargestellt werden (Tafel X, Abb. 10, Knopf, Silber, graviert).
Das gilt auch, wenn das Muster sehr klein ausfällt, wie auf den Randleisten zweier Kästen (Tafel X, Abb. 21 bis 23, in Holz geritzt).
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(21-23) Widdermuster
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Dieses Kreuz weist einen runden Deckel auf (Tafel X, Abb. 4, Schachtel, in Holz geritzt).
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(4) Schachtel
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Hier wurden die Spiralen und die Enden des Kreuzarmes zu einem Dreizack abgeschliffen.
(Tafel X, Abb. 10, Knopf, Silber, graviert).
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Auch hier lässt sich die Grundform nicht leicht erkennen (Tafel X, Abb. 20, Schachtel, in Holz geritzt).
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(20) Schachtel
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Beim Zentralmotiv eines runden Brustschmucks für Frauen (Tafel XI, Abb. 6, Brustschmuckscheibe, Silber, graviert) ersetzen vier Blütenmotive die Spiralen.
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Brustschmuckscheibe
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Noch schwieriger wird es, die Grundform dieser Muster zu erkennen (Tafel XI, Abb. 1 bis 5, Beschlag auf Zaumzeug, Silber, graviert und Tafel X, 15, Beschlag auf einem Männergürtel, Silber, graviert, 16, Ohrring, Silber graviert, 17, Schmuckplättchen, Silber, graviert).
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(1-4) Beschlag auf Zaumzeug
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Eine Ableitung des Lyra-Motivs vom Gehörn des Argali der Pazyryk-Kultur gäbe auch eine Erklärung, warum das Motiv auf den Sommerhauben der Frauen der Jakuten nie fehlt (Tafel X, Abb. 1 bis 3, Frauenkappe, Tuch, Perlenstickerei, und Tafel IX, 5 bis 7, Frauenkappe, Tuch, bestickt). Sie gehörten zum Kopfputz der Jakutinnen.
(Tafel IX, Abb. 5, Frauenkappe, Tuch, bestickt). Gerade bei diesem Motiv zeigt sich die ganze Variationsfreude der Jakuten.
Die Entwicklung, die zu dieser Variante führte, wird in Abb. 54 veranschaulicht.
Parallelerscheinungen zu dieser Weiterentwicklung des Motivs lassen sich übrigens in der Ornamentik der Bevölkerung von Mittel-Celebes feststellen. Das auf Abbildung 54 rekonstruierte mittlere Glied der Entwicklungsreihe findet sich tatsächlich auch dort (Abb. 55). Genau das gleiche Kreuzmuster kommt nämlich auch in grossen Teilen Indonesiens vor.
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Die Herkunft der Widderhörner
Im Gegensatz zum Lyra-Motiv braucht man bei diesem Muster nicht lange nach dem Vorkommen bei anderen Völkern zu suchen. Zwar findet man es nicht im nördlichen Raum von Sibirien, aber alle südsibirischen Nomaden verwenden es: die Kirgisen, die Karakirgisen (Bergkasachen), alle mongolischen Volksgruppen, die Altaier, die Turkmenen, ja sogar die schon längere Zeit hindurch sesshaften, aus Asien ausgewanderten Bulgaren und Tschuwaschen und die von ihnen beeinflussten finnougrischen Gruppen der Mordwinen und der Mari. Vereinzelt kommt es auch bei den Ostjaken und Golden vor.
Die für die jakutische Kunst charakteristische Abwandlung des Motivs zu vier Doppelspiralen ist nicht bei allen genannten Völkern üblich. Dagegen hat das Muster andere leichte Veränderungen erfahren. Wenn es z.B. in Web- oder Knüpftechniken ausgeführt wird, nimmt es eckigere Formen an (Abb. 56). Bei einem turkmenischen Teppich kommt das Stammmuster der Ersary, „Temirdschin göl“, zum Tragen.
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turkmenischer Teppich
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Die Grundform des Musters ist aber nicht zu verkennen. Der Name der vier Arme des Kreuzes lautet sowohl bei den Kirgisen und Karakirgisen als auch bei den Mongolen, soweit es bekannt ist, Widderhorn, und auch die bulgarischen, als sehr konservativ bekannten Schopen in der Nähe von Sofia nennen es Die Hörnchen.
(Abb. 57) Ein altes kirgisisches Widderhornmuster. Hierzu gibt es die Erzählung eines „Alten Meisters“: Am Abend, als der neue Monat geboren wurde, sassen die Leute in der Jurte und verzehrten nur das Fleisch des Schafes.
Die vier in Spiralen auslaufenden Kreuzarme stehen für die Hörner des Argali, die Sichel daran für den neuen Monat, und das dicke Kreuz für das Gitter einer Jurte. Die ovalen Umrisslinien des Musters sollen die Löffel zum Essen darstellen.
Viele Erzählungen mögen etwas weit hergeholt erscheinen: Erwiesen ist das Widderhornornament in seiner Ausrichtung nach den vier Himmelsrichtungen und die Mondsichel bei den Kirgisen.
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Teppich
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Sogar im alten China wurde das Schriftzeichen für Schaf so dargestellt (siehe nachfolgende Skizze).
Die Herkunft dieses Musters den Kirgisen oder Chinesen zuzuordnen, erwies sich nicht korrekt. Aufgrund von Grabfunden in der alten Stadt Lo-Lang (jap. Naknang) beim heutigen Pyöng-Yan (Heijo Nord Korea) ist nunmehr bekannt, dass das Muster bereits in Nordkorea existierte (Abb. 58). |
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Schafmuster Nordkorea
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Dieses Kreuz weist einen runden Deckel auf . Es gleicht dem vorliegenden Motiv in erstaunlichem Maße (Tafel X, Abb. 4, Schachtel, in Holz geritzt). Eine Datierung gibt es nicht, jedoch kann man annehmen, dass es sich um die Periode von 108 v. Chr. bis 313 n. Chr. handelt. |
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Schachtel
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Tanev interpretiert in diese Zeichen den einfachen ornamentalen Ausdruck der drei chinesischen Einteilungen des Kosmos:
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1. Die Einteilung in fünf Elemente, deren vier den Jahreszeiten und Himmelsrichtungen entsprechen (Holz Osten Frühling, Feuer Süden Sommer, Metall Westen Herbst, Wasser Norden Winter) und das fünfte, zentral gelegene die Erde ist. |
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2. Die Achtteilung, die ebenfalls in China häufig dargestellt wird, z.B. bei den acht Trigramen*. |
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3. Der Zwölfteilung in Monate oder Doppelstunden. |
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*Die Acht Trigramme (acht Orakelzeichen) sind zur Weissagung dienende Symbole, welche die Grundlage des altchinesischen I Ging (Buch der Wandlungen) bilden. Sie bestehen aus drei entweder durchgezogenen (Yang) oder unterbrochenen (Yin) Linien, woraus sich 23 = 8 Möglichkeiten ergeben, die oft in Form eines Kreises dargestellt werden. Zwei Trigramme ergeben eines der 64 (26 = 82 = 64) Hexagramme; deren Bedeutungen sind im Buch der Wandlungen beschrieben.
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Diese Einteilungen besassen eine ausserordentliche Bedeutung für das alte China, denn die Chinesen bauten ihr Staatswesen nach dieser kosmischen Orientierung auf, sie beeinflusste ihre materielle und geistige Kultur, ja ihr ganzes Leben. Jeder kannte sie, und sie galt als ewig und heilig, denn die Ordnung des Kosmos musste nach chinesischer Auffassung auch auf der Erde herrschen, damit die Menschen Ruhe und Glück geniessen konnten. Veränderungen am Sternenhimmel waren auf Begebenheiten auf der Erde zurückzuführen und konnten durch andere wieder ausgeglichen werden. Tatsächlich fällt es auch nicht schwer, eine fünfteilige, eine achtteilige und sogar eine zwölfteilige Anordnung in diesem Zeichen wiederzufinden. Hinzu kommt, dass man auch die in China übliche Einteilung in 28 Mondstationen auf diesem Symbol erkennen kann, wenn man alle Enden zusammenzählt. Die Chinesen ordnen nämlich den sich ihrer Meinung nach im Laufe eines Jahres drehenden Sternenraum 28 „Stationen“ zu. Der Polarstern in der Mitte, der den Himmelskaiser darstellt, bildet den ruhenden Pol. In sieben Stationen, d.h. Sternbildern, hält sich die Sonne während einer Jahreszeit auf. Und zwar sind die Enden des Zeichens genau im Rhythmus dieser Mondstationen, nämlich 4 (2 + 2 + 3), angeordnet.
Daneben gibt es noch den Rhythmus 4 (2 + 3 + 2), den man nach Saussure darstellt, ohne streng auf den tatsächlichen Abstand der Sterne zu achten, die die Stationen für den Mondumlauf sind: (Abb. 59).
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Die andere Einteilung 4 (2 + 2 + 3) erläutert Saussure nicht näher. Doch kann sie nicht anders versinnbildlicht werden als auf dem Ornament aus Lo-lang, wenn man dem Schema Saussures folgt (Abb. 60).
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Lo-lang
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Im Übrigen kann man den Ausführungen Tanevs so nicht zustimmen. Die Hauptthese jedoch, dass das in Lo-lang gefundene Ornament einen kosmologischen Sinngehalt besitzt, erscheint trotz allen Misstrauens sehr wahrscheinlich.
Den Beweis für die Richtigkeit der Annahme, dass es sich beim Zeichen von Lo-lang und bei den anderen Kreuzornamenten um das Sinnbild einer kosmologischen Einteilung handelt, erbringt jedoch ein chinesischer Spiegel (Abb. 61) aus der Zeit der Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.), der von einem in den Traditionen und den kosmologischen Vorstellungen seiner Zeit wohlbewanderten Meister aus der Familie Wang hergestellt wurde.
Spiegel
Der äusserste Musterstreifen verdankt seine Entstehung offensichtlich dem chinesischen Wolkenornament und symbolisiert Wolken. Der schraffierte Rand und die nach aussen gerichtete Zackenleiste sind eine sehr typisches Schmuckform für alle diese Spiegel. Darauf folgt nach innen zu eine Reihe von Schriftzeichen, die den Namen des Meisters und einige Glückwünsche beinhaltet und wieder darauf ein sehr reich verziertes Feld, in dem sich unter anderem Abbildungen der symbolischen Tiere der vier Jahreszeiten befinden, auf dem Bild unten die Phönixe für den Süden, oben Schlange und Schildkröte für den Norden, links der Tiger des Westens, und rechts schliesslich erkennt man statt der Drachen, die eigentlich den Osten repräsentieren, zwei Einhörner. An jeder Seite eine durch die Symboltiere gekennzeichneten Himmelsrichtung auf dem Spiegel sind zwei runde Knöpfe angebracht. Den Rand des Mittelquadrates füllen die zwölf Tierzeichen der Doppelstunden und Monate abwechselnd mit runden Knöpfen aus. In der Mitte liegt die hier interessierende Figur, deren Arme mit den Widderhörnern auf die Symboltiere der Jahreszeiten verweisen und gleichzeitig auf den runden Knopf, der innerhalb des Quadrates zwei Jahreszeiten trennt. Die kleineren vier Arme des Doppelkreuzes sind je auf das mittlere Monatszeichen innerhalb einer Jahreszeit gerichtet. Die Monatszeichen für den Herbst liegen links, wo im äusseren Feld sich der Tiger befindet, darunter die für den Sommer, es folgen die des Frühlings und die des Winters. Damit wird also nicht nur die Einteilung der Weltenzeit, sondern gleich das ganze Universum dargestellt. (Abb. 62 und 63) zeigen noch zwei weitere Beispiele von Spiegeln aus der Han-Zeit die diese Figur der Mitte tragen. Auf (Abb. 62) wird die Ähnlichkeit des Zeichens mit dem sibirischen Widderhornmuster besonders deutlich. Hier ist dieses frühe Ornament als Randschmuck neben dem Widderhörnern noch erhalten geblieben.
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Diese magischen Spiegel sind mindestens seit der Zeit der Tschou-Dynastie (Zhou-Dynastie, ca. 1050 bis 256 v. Chr.) in China verbreitet. Sie kommen als Gürtelschmuck vor. Man verwendete sie nämlich nicht nur zur Toilette, sondern sie spielten auch für viele Kulte eine wesentliche Rolle. Mit ihnen entzündete man aus den Sonnenstrahlen die heiligen Feuer, indem man sie als Brennglas nutzte. Man gewann ebenso „Wasser vom Mond“, wenn man den Spiegel nachts draussen liess und der Mond sich darin spiegelte: morgens überdeckte ihn der Tau. Dieses Wasser verwendet man für kultische Zwecke. Der feine Staub zerriebener Metallspiegel diente auch als Heilmittel. Am häufigsten fanden sie als Beschützer vor bösen Dämonen Verwendung. Ihre Wirkung beruht darauf, dass die unsichtbaren Geister im Spiegel sichtbar werden und sich überhaupt alle Geisterwesen davor fürchten, ihr eigenes Gesicht zu sehen. Daher trägt die Braut einen Spiegel an einer Kette über ihrem Herzen, und dem Toten legt man noch heute einen auf die Brust, um ihn auf seiner Reise durch die dunkle Region zu schützen.
Zur Entstehung des Musters: Es leitet sich von einem archäischen Motiv ab, das sich aus vier Paaren von Federn, die nach dem Grundsatz „pars pro toto“ als Vögel betrachtet werden und dem Sonnenmotiv im Zentrum zusammengesetzt sind (Abb. 64). Auch das gleiche Sonnensymbol, umgeben von vier Mondsicheln, das schon auf Bronzen der Schang-Zeit (Shang-Dynastie ca. 1450 bis 1050 v. Chr.) vorkommt, ähnelt dem Widderhorn (Abb. 65). Solche Motive waren nie auf Spiegeln zu finden.
Vielmehr hat sich das Zentralmotiv der Spiegel aus einem Muster, das aus vier Blättern und einem zentralen Kreis besteht, entwickelt, das seit dem 5. Jahrhundert v. Chr., aber nicht mehr nach dem 3. Jahrhundert v. Chr. auf den Spiegeln im Flachrelief ausgearbeitet war. Es erinnert bei einigen Stücken an das Muster der runden Schmuckscheibe für Frauen und die in der gleichen Art verzierten Knöpfe (Tafel XI, Abb. 9, Anhänger Ohrring, Silber, graviert, 10, Knopf, Silber, graviert, 14 und 16, Schmuckplättchen, Silber, graviert).
Das zeigen auch einige Beispiele in (Abb. 66).
Auch an anderen Stellen Sibiriens hat es sich erhalten. So bildet es z.B. das Muster einer glasierten Trinkschale aus Turkestan. Die Figur, die uns hier aber am meisten interessiert, entwickelte sich offenbar aus den oberen beschriebenen Zentralfiguren von Spiegeln oder Knöpfen und zierte somit in der Han-Zeit den grössten Teil der chinesischen Bronzespiegel in Verbindung mit den Symboltieren der Himmelsrichtungen oder anderen Sinnbildern der Einteilung von Zeit oder Weltbild. Schliesslich, mit dem Eindringen der westlichen Einflüsse, wurden diese Figuren in der späteren Han-Zeit von Rankenornamenten verdrängt. Die Spiegel dieser Epoche wurden als „Traubenspiegel“ bekannt, weil auf ihnen die Weinrebe als auffälligstes Schmuckmotiv auftrat.
Diese magischen Spiegel bildeten seit frühester Zeit einen wichtigen Exportartikel Chinas. In Sibirien tauchen sie erstmalig unter den Funden des 6. Jahrhunderts v. Chr. auf. Man findet sie auch in Gräbern, die sonst keine anderen chinesischen Importwaren aufweisen. Sie kommen in den Kurganen der offenbar nicht adligen, freien Hirten vor, die im 6. bis 8. Jahrhundert n. Chr. am Fluss Orchon lebten. Andererseits wurden die Spiegel auch schon früh in Sibirien selbst den chinesischen Exemplaren nachgearbeitet. Auch unter den Gegenständen in Funden, die mit Sicherheit den in Ungarn ansässigen Schwarzen Hunnen zugeschrieben werden können, befinden sich Spiegel mit ähnlichen Widderhörnern.
Die Wertschätzung des Spiegels hat sich sowohl in China als auch in Sibirien bis auf den heutigen Tag erhalten. Sie lässt sich von den Randvölkern Chinas bis zu einigen nordsibirischen Stämmen lückenlos verfolgen.
Die tibetischen und mongolischen Priester tragen sehr häufig einen runden Spiegel auf der Brust. Diesen darf man nicht etwa mit der Abbildung des Radsymbols verwechseln, da beide oft nebeneinander auf einem Kostüm vorkommen, wie z.B. bei den Masken des Gottes des Reichtums „Namsrai“ und des Totenrichters „Yama“ in der Mongolei (Masken zum Tsam -„Tanzmasken“ für buddhistische Zeremonien). Auch auf dem Kostüm des mongolischen Schamanen in der Inneren Südmongolei trug dieser auf dem Brustlatz ein typisches Emblem, den silbernen Spiegel. Bei den Mongolen schmücken die 12 Monatstiere der Chinesen diese Spiegel.
Spiegel, die bis in unsere Zeit ausserhalb Chinas verbreitet sind, haben nicht, wie die alten chinesischen Bronzespiegel, auf der einen Seite das Ornament und auf der anderen eine glänzende Fläche, sondern sowohl der glatte als auch der gemusterte Teil gehört auf die eine, die Vorderseite. Bei den Schamanen der nördlich der lamaistischen Mongolei ansässigen Burjaten sind dieselben mit Abbildungen des chinesischen Tierzyklus versehenen Metallspiegel, die entweder über der Brust auf den Mantel genäht waren oder an einer Kette um den Hals getragen wurden. Auch die Schamanen der Jakuten sollen in alter Zeit die gleichen Metallspiegel wie mongolische Zauberpriester auf der Brust getragen haben. Gleiches gilt bei den Tungusen.
Bei den mongolischen und tungusischen Volksgruppen sowie bei den Jakuten und Jukagiren wird der runde Spiegel aber auch von den Frauen als Brustschmuck benutzt, etwa auf (Tafel XI, Abb. 5, Silber, graviert) von einer Jakutin und auf (Abb. 67) von einer Tungusin. Dabei ist das Widderhornmuster zu erkennen.
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Muster auf jakutischen Schmuckscheiben zeigen (Tafel XI, Abb. 4, Beschlag auf Zaumzeug, Silber, graviert, 6, Brustscheibe, Silber, graviert, 11 und 16, Schmuckscheibe auf Frauenkappe, Silber, graviert, 24, Brustscheibe auf Frauenkappe, Silber mit Email) eine weiterentwickelte Form von Widderhörnern und sind auf Knöpfen vorhanden. Sie weisen Muster auf, die diesen vor-han-zeitlichen Spiegeln mit Zentralmotiven auffallend ähneln. In der Technik wird ein Halbrelief mit Mustern der chinesischen, mongolischen und tibetischen Motive imitiert. Muster von importierten Spiegeln dürften schnell in den Motivschatz der südsibirischen Ornamentkunst einverleibt worden sein. Während sie in den vor der Han-Zeit in China errichteten Pazyryk nicht vorkommen, begegnen wir ihnen zuerst im Kurgan „Schibe“ am Ursul (ca. 1. bis 2. Jahrhundert v. Chr.) und danach wahrscheinlich auch in Kudyrge, in einem Kurgan, der um das Jahr 200 n. Chr. erbaut worden sein muss, schon auf anderen Gegenständen und nicht nur als Spiegel.
Auch unter den hunnischen Funden (bei den Schwarzen Hunnen) in Ungarn und teilweise im heutigen Russland, wo eine ethnische Sondierung besonders gut gelang, tritt das Muster auf verschiedenen Metallgegenständen auf. Eigenartigerweise nimmt es dann die Form der vier Doppelspiralen an, die unter den heutigen türkischen Völkern nur bei den Jakuten und Tschuwaschen für dieses Motiv charakteristisch ist.
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Somit dürften einige Zentralmotive des jakutischen silbernen Frauenbrustschmucks von der Mittelfigur der chinesischen Spiegel, eines wichtigen Importartikels abgeleitet worden sein. Mit grosser Wahrscheinlichkeit kann man das Ornament als ein von den Chinesen entlehntes Muster betrachten (Tafel XI, Abb. 7, Schachtel, in Holz geritzt). Für die Chinesen war diesen Widdermustern nicht nur ein Sinnesgehalt zugeordnet.
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(7) Dose
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Deshalb ging auch bei den sibirischen Völkern ein ähnlicher Gedankengang voraus. Oder wurde dieses Muster wie die Pflanzenmuster eben einfach nur aus Modegründen übernommen? Gegen diese Annahme spricht die Tatsache, dass diese Spiegel nicht als Toilettengegenstände gebraucht wurden, sondern als Schmuck bei Schamanen und anderen Personen vorzufinden waren. Man trägt und trug sie auf der Brust und auf der Kopfbedeckung über der Stirn.
Eine im zweiten Kurgan von Pazyryk bestattete Leiche führte sogar den Spiegel in einem Ledersäckchen über dem Herzen mit sich, so dass er nicht nur als Schmuck diente, sondern auch eine kultische Bedeutung haben konnte. Ein ganzer Komplex von Motiven kann sich nicht nur aus „Modegründen“ durchsetzen und Ornamente, die bisher beim Empfängervolk üblich waren, zurückdrängen. Wenn sich aber ein einzelnes Motiv über einen ganzen Erdteil verbreitet und zur häufigsten Figur in der Kunst all der Völker wird, die es aufnehmen, so liegt die Vermutung nahe, dass mit dem Muster auch ein Sinngehalt mitwanderte, wenn sie sonst in der Ornamentik keine Gemeinsamkeit hatten. Ein Beispiel ist in Europa das christliche Kreuz.
Über die Bedeutung des Musters in Sibirien gibt nur der Name selbst Auskunft. Bei den Kirgisen steht der Gedanke der Monatseinteilung damit in Verbindung. Auch die Zeit- und Welteinteilung der Jakuten und anderer Nomadenvölker gleicht der chinesischen Darstellung. Die 28 Mondstationen fehlen allerdings das Widderhornmuster mit 28 Endungen in Formen, die auf dem Tonabdruck von Lo-lang (Abb. 58) erscheinen, kommen ja auch nicht in Sibirien vor. Hier liess sich an dem Zeichen nur die Einteilung in zwölf, acht oder vier Abschnitten beobachten. Die Einteilung in vier oder acht Himmelsrichtungen und in zwölf Monate ist eine in Sibirien allgemein und schon vor der Einnahme durch die Russen übliche Darstellung. So besitzt der „Erdkreis Mutter“ nach den Vorstellungen der Jakuten eine achtseitige Gestalt.
Die Tungusen bemalen ihre Schamanentrommeln mit einem mit Doppellinie gezeichneten Kreis in der Mitte, von dem aus acht Striche zum Rand der Trommel führen. Sie stellen die acht Beine dar, auf denen die Erde im Meer steht.
Auch die Weltkarte der Kalmücken (Abb. 68) zeigt eine Einteilung in vier Richtungen und zwölf Punkte.
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Die mongolische Weltanschauung war natürlich stark vom Buddhismus beeinflusst. Im Mittelpunkt der Welt liegt für sie der Weltenberg und rundherum die vier Weltteile.
Diese Einteilung hat eine nicht zu unterschätzende Bedeutung im Geistesleben der sibirischen Nomadenvölker. Sie bauen ihre Häuser nach einer günstigen Himmelsrichtung daher kommen die Bezeichnungen der Jakutischen „Hin“ - „vorderer Teil“ für Osten, „arva“ - „hinterer Teil“ für Westen, „xotu“ oder „xanas“ - „linke Seite“ für Norden und „schuru“ oder „unuo“ - „reche Seite“ für Süden. In jeder Himmelsrichtung liegt der Sitz bestimmter Götter. Die Behausung wird zu der Seite hin geöffnet, auf der die guten Geister wohnen, entweder nach Süden oder Osten. Bei den Jakuten ist es die Ostseite, wie aus ihren oben genannten Namen hervorgeht. Bei den Mongolen ist es der Süden. Hier im Nordosten, am Punkt des Sonnenaufgangs im Sommer lebt "Ürüng Ajy Tojon", der gute Schöpferherr, der seinen Sitz allerdings gelegentlich auch im Zenit hat. "Ulutujar Ulu Tojon", der berüchtigte furchtbare Herr, haust dagegen im Westen, während der grausame "Arsan Duolai" sich im Süden oder Nordwesten befindet. Von den niederen Dämonen wohnen die guten "aju" (Geister des Schaffens und Hervorbringens) und die ebenfalls nicht bösartigen „iggi“ (auch ongon = Geisthaus Besitzgeister) im Osten, während die "abasy", die schlimmen Press- oder Schlinggeister sich meist im Westen aufhalten.
Wenn der Schamane sich in eine bestimmte Himmelsrichtung verneigt, so tut er das vor den dort wohnenden Geistern, daher gilt nur eine Verbeugung nach Osten und Süden als glücklich. Die Verneigung des Schamanen in alle vier Himmelsrichtungen bildet eine Höflichkeit gegen alle Geister. Auch bei anderen Nomadenvölkern Südsibiriens, die ja alle das Widderhornmuster kennen, herrschen die gleichen Vorstellungen. So hängen z.B. die Telengiten den Kopf des Opfertieres nach Osten für die guten Geister, soll es für die Bösen sein, wendet man ihn nach Westen.
Die Jakuten wahrsagen, indem sie zwei konzentrische Kreise zeichnen und auf dem äusseren Ring Norden, Nordosten, Osten, Südosten, Süden, Südwesten und Westen markieren. Der Nordwesten wird nirgendwo in dieser Aufstellung genannt. Dann halten sie eine Schnur mit einem Gewicht über diese Zeichnung. Nach einiger Zeit beginnt das Pendel auszuschlagen. Die Richtung, in die es pendelt, bestimmt die Voraussage. Dabei haben die Himmelsrichtungen folgende Bedeutung:
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Norden und Süden bezeichnen die Jakuten nur als „Hauptweg“.
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Nordosten, die Richtung in der morgens die Sonne zur Sommersonnenwende aufgeht, bringt ihnen gehörntes Vieh.
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Der Osten gilt als ein Weg von gutem Glück allgemein.
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Der Südosten ist die Richtung, in der die Sonne zur Wintersonnenwende bei ihrem Aufgang steht, was bedeutet, dass man Pferde erhalten wird.
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Der Südwesten heisst „Weg in die Wälder“ und bedeutet den Tod.
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Die direkte Westrichtung hingegen stellt den Weg der bösen Geister dar.
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Der Kalender bestimmt auch, an welchem Tag und in welche Richtung eine Reise gestartet werden soll. Wenn es die falsche Richtung ist, startet man in der vorgegebenen Richtung, die gut für den Reiseantritt ist, macht anschliessend einen Bogen und geht dann in die Richtung, die man geplant hatte.
Man erkennt also auch in dieser von anderen Forschern mitgeteilten Beobachtung die gleiche Bedeutung der Himmelsrichtungen bei den Jakuten. Zudem gleicht die Auffassung des Westens als schlechte, die des Osten als gute Himmelsrichtung jener der Chinesen. Dies besagt allerdings noch nicht viel, denn alle Völker Mittel- und Ostasiens haben dieselbe Auffassung, die letzthin mit der Wertschätzung der Sonne bei polaren und in gemässigten Breiten lebenden Völkern ganz allgemein zusammenhängen mag, wo man die Sonne froh begrüsst und ungern scheiden sieht.
Es lässt sich demnach feststellen, dass die Einteilung in vier Haupt- und insgesamt acht Himmelsrichtungen bekannt war, die sogar eine sehr wichtige Rolle in der Kultur der Jakuten und all jener Völker spielten, bei denen die „Widderhörner“ ein viel gebrauchtes ornamentales Motiv bildeten. Dadurch wird es sehr wahrscheinlich, dass auch der Sinn des Ornaments, so wie man ihn durch die Chinesen kennen lernte, mit dem Ornament und dem Gegenstand zusammen überliefert wurde. Das ausserordentlich häufige Auftreten des Musters ist dadurch zu verstehen, dass es einen für das Leben der Jakuten und der mit ihnen verwandten Völker sehr wichtigen Sinngehalt besass.
Nur durch diese Tatsachen lassen sich auch einige Varianten solcher Muster erklären.
In (Abb. 1) schliessen sich den Widderhörnern in der Mitte vier Lyra-Motive an, die in die vier Himmelsrichtungen zeigen, anstelle des Sonnensymbols, wie auf (Abb. 1a). Dieses Zeichen setzte eine Fähigkeit zur Einteilung des Himmelsgewölbes und zur Abbildung des Kosmos voraus, man kann dies wohl kaum als Zufall betrachten. Wenn desgleichen um einen inneren Kreis mit vier Widderhörnern ein äusserer mit sechs gezeichnet ist, so kann diese Zahl nur als die Hälfte der Anzahl der Monate angesehen werden (Abb. 2), wie sie auch auf burjatischen Widderhornmustern dargestellt sind (Abb. 69). Zwölf Widderhörner in der für die Jakuten charakteristischen Art abzubilden, ist naturgemäss recht kompliziert. Auch schon auf den chinesischen Spiegeln der Han-Zeit wird häufig ein äusserer Ring mit zwölf oder sechs und ein innerer mit acht und vier Symboltieren dargestellt.
Andererseits findet sich im Zentrum des Widderhornmusters häufig selbst ein Kreuz, dessen Bedeutung als Darstellung eines Gestirns gilt (Abb. 4). Hier füllt diese Stelle ein wirbelartiges Sonnenzeichen aus. Das Sternenzeichen in der Mitte entspricht einer Darstellung des Polarsterns, wie das in China häufiger vorkommt.
Bei den Kirgisen lässt sich das gleiche Zeichen neben Rosetten oder mit noch deutlicher gezeichneten Sternen in der Mitte der Widderhörnermotive beobachten. Auch das Zentralmotiv bei den Turkmenen bilden Kreuze (Abb. 56). Die Burjaten zeichnen ebenfalls Sonne und Mond häufig in die Mitte ihrer Muster.
Tanev hält die Hunnen für diejenigen, die das Ornament von China aus weiter überliefert haben, gibt jedoch keine nähere Begründung dafür an.
Die Hunnen besassen eine Astralreligion mit Himmelskult, Frühlings- und Herbstfest, verbunden mit Pferdeschau, Pferderennen und Pferdeopfer. Sie kannten schon den Kumys. Das Jahr teilten sie nach einem zwölf- und einem 28-teiligen Zyklus ein. Auch der Einfluss, den sie gerade auf das Gebiet des Altai- und Sajan-Gebirges nahmen, ist beachtlich. Sie mögen also massgeblichen Anteil an der Verbreitung des Symbols gehabt haben. Es ist der chinesischen Kultur aber, wie man an Funden erkennt, auch durch andere Beziehungen innerhalb zentralasiatischer Völker vertraut geworden.
Die „Widderhörner“ haben sich von China aus auch nach Süden hin verbreitet. In Indonesien bildet genau das gleiche Motiv eine häufige Schmuckform bei den Eingeborenen, ja es findet sich sogar in Polynesien und Malanesien, wo es z.B. in einer bestimmten Art auf den "kpa-kape" von Santa Cruz vorkommt, die in der Regel als Sonnensymbole beschrieben werden. Die asiatischen Widderhörner gelten dort als Fussstapfen einer Art Nachtschwalbe, des Fregattenvogels, oder als Hörner des Wasserbüffels. „Hörner des Wasserbüffels“ heißt das Motiv auch bei Stämmen, die keine Rinder züchten. Daher hält man den Namen für die Bedeutung eines viel älteren Musters. Der Büffel wird in China auch als ein dem Monde zugeordnetes Tier angesehen. Ob deshalb eine ursprüngliche lunare Bedeutung in Sibirien dem Widder und damit der Darstellung seiner Hörner zugeschrieben wurde, ist nicht klar ersichtlich. Das Zeichen in Indonesien, „Snelteken“, deutet darauf hin, dass es ursprünglich den „Koppensnellers“, den Kopfjägern, als Schmuck vorbehalten war. In heutiger Zeit ist es allerdings profanisiert. Der Büffel betreut im Jenseits die gefallenen Krieger. Auch bei den Nagas auf Celebes, Flores und Timur dienen Büffelhörner als Kriegsschmuck. Ebenso wie in Indonesien kommt die Grundform des Widderhornmotives auch in ganz Osteuropa und teilweise in Nordafrika vor. Zusammenhänge und ein Beweis der wahrscheinlichen Herkunft des Ornaments aus Asien fehlen.
Anders als im Kreuz angeordnet stellen die Jakuten das Widderhorn nicht dar. Die Kirgisen und Burjaten bilden dagegen nicht selten die Arme des Kreuzes mit den Spiralen einzeln ab.
Ein ähnliches Motiv ist auf einem Schmuckplättchen an einem Zopfgehänge zum Reihenornament zusammengefügt (Abb. 21). Seine Anordnung gleicht ebenfalls einem han-zeitlichen Spiegelornament. Im Übrigen wird das einzelne Motiv als Merkmal für einen besonderen Tag auf den jakutischen Monatskalendern gebraucht. Man weiss, dass die Turk-Vorfahren der Jakuten es bereits als Schriftzeichen auf Felszeichnungen an ihren ehemaligen Wohnsitzen am Baikal verwendeten und dass es aus einer turkischen Runenschrift stammt.
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- Altes Turk-Alphabet
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Die Rosette
Ein typisches Flächenornament, die Rosette, verwenden die Jakuten zur Verzierung kleiner Gegenstände. Besonders häufig sind silberne Knöpfe damit geschmückt. In Ausnahmefällen fügt man die Rosetten auch zu Reihenornamenten zusammen.
Die Zahl der Blütenblätter der Rosette variiert von vier bis 13. Die meisten Rosetten sind allerdings aus vier oder sechs Blättern gebildet. Auch die Form der Blütenblätter variiert stark: Sie läuft spitz (Tafel XI, Abb. 20, Schachtel, in Holz geritzt), oder auch rund zu (Tafel XI, Abb.25, Knopf, Silber, graviert) und nimmt in einigen Fällen fast kreisrunde Formen an (Tafel XI, Abb. 10, Knopf, Silber, graviert). In anderen Fällen wirkt das Muster wie ein Stern (Tafel XI, Abb. 19, Knopf, Silber, graviert).
Ein anderes wichtiges Unterscheidungsmerkmal der Rosetten bildet die der Umgang mit dem Zentrum. Bis auf wenige Ausnahmen werden Rosetten mit mehr als vier Blättern mit einer runden Mittelfläche versehen, die sogar in Einzelfällen durch mehrere Kreislinien oder durch einen Punkt in der Mitte betont sind. Bei der vierblättrigen Rosette fehlt dieser Teil oft.
Die Rosette ist ebenfalls ein bei den Viehzüchter-Nomaden Südsibiriens weit verbreitetes Ornament. Auch die Tungusen verwenden es bisweilen, während es den paläosibirischen Stämmen und Amurvölkern bis auf wenige Ausnahmen unbekannt blieb. Unter den vorgefundenen Ornamenten, die sehr starken chinesischen Einfluss zeigen, kommt nur die vierblättrige Rosette vor. Sie füllt die Mitte der „Widderhörner“ aus, die zuerst als Zentralmuster der magischen Spiegel den im Norden des chinesischen Reiches ansässigen Völkern bekannt wurde. Die vierblättrige Rosette selbst bildet eine frühere Form des Zentralornaments der Spiegel und ist zum Amur offenbar auch von China aus vorgedrungen. Die vierblättrige Rosette der jakutischen Schmuckscheiben ist ebenfalls ganz offensichtlich auf chinesische Einflüsse aus sehr früher Zeit zurückzuführen (Abb. 64 und 65).
Mit mehr als vier Blättern haben die Chinesen die Rosette auf ihren Spiegeln nicht ausgeführt. Es liegt nahe anzunehmen, dass auch sonst die vierblättrigen Rosetten auf diese Weise zu einem häufigen Motiv der Jakuten wurden. In zwei Fällen ordnen sie sich zu einem Reihenornament an (Tafel XI, Abb. 17, Beschlag auf Zaumzeug, Silber, graviert und 22, Kumysgefäss, Holz, Keilschnitt), wobei beim ersten Muster immer ein Blatt von vier wegfällt.
In der Ornamentik der anderen Hochkulturen, von denen man Einflüsse auf die Jakuten vermuten kann, also den neuzeitlich zugewanderten Russen oder Persern, kommt die Rosette häufig vor, und wir begegnen ihr auch wieder unter Funden aus dem zweiten Kurgan von Pazyryk. Diese Motive dienten den Persern als Sonnensymbol und wurden daher zu einem sehr beliebten Ornament. Bei den Kirgisen trifft man auf die Rosette ebenso oft. Sie tritt hier meist als dominierendes Muster auf, das das Sonnensymbol oftmals ersetzt. Ihr solarer Charakter kann daher als wahrscheinlich angenommen werden. Sie sind von den Persern übernommen worden.
Auch bei den Jakuten tritt die Rosette mit sechs und auch mit acht Blättern gelegentlich an die Stelle des Sonnenzeichens (Tafel VIII, Abb. 34, Schachtel, in Holz geritzt, Tafel IX, 2, Schachtel, Holz mit Knocheneinlage und Tafel X, 4, Schachtel, in Holz geritzt). Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die ehemals südlicher lebenden Jakuten dieses Motiv auch von den Persern übernommen haben, wo es eine sehr wichtige Rolle spielte.
Als Anhänger an den im Ornament dargestellten Himmelsbogen dienen runde silberne Scheiben, die offenbar die Sonne darstellen sollen und als Schmuckmotive die achtblättrige Rosette aufweisen (Tafel XI, Abb. 18 und 23, Schmuckplättchen, Silber, graviert).
Ein einziges Mal vertritt die Rosette die sonst bei den Rankenmustern übliche Blüte in der Profilansicht (Tafel IV, Abb. 16, Schachtel, in Holz geritzt). Sie gleicht dabei den chinesischen Darstellungen der Pflanzenblüte, die dort als Zeichen für Glück und gute Wünsche angesehen wird. Solche Ähnlichkeiten können natürlich auch zufällig sein und bieten keinerlei Grundlage für Schlussfolgerungen.
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Entlehnungen aus neuerer Zeit
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Die Rosetten auf dem Kasten (Tafel XI, Abb. 28 und 29, Schachtel, in Holz geritzt), wurden mit dem Zirkel hergestellt. Auf ihnen fehlt der mittlere Kreis. Diese Art der Rosette stellen die Russen und andere europäische Völker gerne dar. Voraussetzung dafür bildet die Verwendung eines Zirkels. Die Herstellungstechnik dieses Ornaments haben die Jakuten wahrscheinlich von den Russen entlehnt.
Eine Einwanderung der Russen hatte Einfluss auf die jakutische Kultur. 1633 kamen die ersten als Jäger und Kaufleute und siedelten sich in der Region an. Ende des vorigen Jahrhunderts lebten bereits 6500 Zuwanderer hier, wobei nur etwa die Hälfte von Ackerbau und Viehzucht lebte. Die grosse Einwanderung erfolgte in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts. Ein Grossteil waren natürlich Bauern, und viele gehörten zu den verfolgten Religionsgemeinschaften, die hierhin geflüchtet waren und hier auch positiv wirkten. Dies führte zu Mischehen, und man lebte friedlich miteinander.
Wenn auch ausserhalb der Städte die Verbindungen zwischen Russen und Jakuten viel geringer waren und rein zahlenmäßig die Jakuten weitaus überlegen waren, so machte sich doch der russische Einfluss, der von der führenden sozialen Schicht in der Verwaltung des Landes und mehr und mehr auch von der geistigen Oberschicht ausging, naturgemäss stärker bemerkbar. So musste sich das auch in der Ornamentik der Jakuten äussern. Es entstanden russische Imitationen.
(Abb. 70) zeigt eine Akanthusranke, wie sie für die russische Ornamentik charakteristisch ist. Es sind Abwandlungen der byzantinischen, die ursprünglich zackig dargestellt war, von den Russen aber auch allgemein zu runden Formen umgedeutet wurden (Tafel XII, Abb. 1 und 2, Zuckerdose, Silber, graviert).
Diese Muster weisen ebenfalls typisch russische Elemente auf (Tafel XI, Abb. 37, Zuckerdose, Silber, graviert, Tafel XII, 6 und 7, Zuckerdose, Silber, graviert, 3, Teekanne, Silber, graviert).
Teekanne
Eine Entlehnung aus der materiellen Kultur der Russen lässt sich auch in diesen Motiven erkennen. Den Zucker kannten die Jakuten durch die Russen, folglich auch die Zuckerdose. Auch die Teekannen waren russischer Herkunft, wie die Motive auf den silbernen Teetassen und Untertassen zeigen (Tafel XI, Abb. 35, Tasse, Silber).
Teetasse
Auch bei Motiven auf hölzernen Schnupftabakdosen handelt es sich um Gegenstände, die erst nach Einführung dieser Genussmittel durch die Russen entstanden. Die Arbeiten sind nicht in einer typisch jakutischen Werkart gearbeitet, also nicht in Keilschnitt oder Ritztechnik, sondern mit einem sehr wenig erhobenen Relief, dessen Kanten nicht schräg, sondern im rechten Winkel zum Untergrund und zur Musterfläche stehen. Der Grund hebt sich wie das sonst nur bei Silberarbeiten üblich ist, durch Schraffur vom Muster ab (Tafel XI, Abb. 36 und 38, Schnupftabakdose, Birkenrinde, Flachrelief, Tafel XII, 10, Schnupftabakdose, Birkenrinde, Flachrelief und Tafel XIII, 1, Schnupftabakdose, Birkenrinde). Auf anderen Dosen wurden Muster in einer Technik ausgeführt, die nicht bei den Jakuten auftritt, nämlich mit Messingdraht ins Holz eingelegt (Tafel XII, Abb. 4 und 5, Schnupftabackdose, Birkenknollen). Diese Einlagetechnik kommt nur auf Schnupftabakdosen vor. Deckel so verzierter Dosen schmücken Muster, die weder in der russischen noch in der Ornamentkunst eines anderen Volkes Parallelen aufweisen. Sie wurden in einer Sammlung entdeckt, und man muss annehmen, dass sie der freien Fantasie eines Künstlers entstammen (Tafel XII, Abb. 12 und 14, Birkenrinde).
Das Ornament auf einer Seite eines silbernen Sattels (Tafel XII, Abb. 11, Sattel, Silber, graviert), entspricht ebenfalls der Entlehnung aus der russischen Kultur.
Auch (Tafel IV, Abb. 19, Sattel, Silber, graviert) ein silberner Beschlag lässt russische Figuren erkennen, hier auf einer Schnalle (Tafel III, Abb. 37, Gürtelschnalle, Silber Relief).
Gleiches gilt für diese einfachen Herzmotive: (Tafel XII, Abb. 20 bis 22, auf Zuckerdosen, Holz mit Knocheneinlage) oder hier auf einer Schnupftabakdose als Reihenornament: (Tafel XI, Abb. 31, Holz geschnitzt). Das Motiv kommt sonst nirgendwo vor, wenn man von Satteldecken absieht, wo zu erkennen ist, dass sie sich aus dem Lyra-Motiv entwickelt haben (Tafel XIII, Abb. 3, Satteldecke, Tuch, bestickt).
Bei Nachahmungen von russischen Herzmotiven liegt die Annahme von vornherein nahe, dass es sich bei diesen um eine sehr späte Entlehnung handelt. Die Muster aller anderen Zucker- und Tabakdosen erwiesen sich ebenfalls nicht als eigenständig. Auch die Technik des Ornamentierens entspricht bei solchen Gegenständen nicht den jakutischen Methoden. Die Einlagearbeiten aus Messing werden auch in allen anderen Fällen zu Mustern gestaltet, die den russischen Einfluss verraten. Aber auch geschnitzte Reihenornamente wie bei der Schnupftabakdose sind nicht nach jakutischer Art im Keilschnitt oder in der Ritztechnik hergestellt, sondern die Ränder der gemusterten Fläche stehen rechtwinklig zu Muster und Grund (Abb. 31 oben: Herzornament). Die gleiche Schnitztechnik lässt sich auch bei einem Salzfass beobachten (Tafel XI, Abb. 33 und 34, Salzgefäss, Holz geschnitzt oder Tafel XII, 19, Zigarettenspitze, Silber, graviert).
Schwieriger wird es, wenn es darum geht, die Auswirkung des Kontakts mit den Russen auf ursprüngliche Gegenständen und deren Ornamantik sicher festzustellen. Etwa das Reihenornament auf einem Kumysgefäss: (Tafel XI, Abb. 32, Kumysgefäss, Holz). Aus einer Namensgebung kann nicht immer eindeutig eine sichere Auskunft abgelesen werden. Das gilt auch für dieses Zickzackmuster auf einem anderen Kumysgefäss (Tafel XII, Abb. 16, Kumysgefäss, Holz). Hier wird die Ranke auch durch Akanthusblätter ohne einen Stiel gebildet.
Motive mit Emailtechnik sind ebenfalls atypisch für die jakutische Ornamentik (Tafel XII, Abb. 9, Schmuckplättchen für Frauenkappe, Silber). Schmale Blätter bilden die Ranken (Tafel XII, Abb. 8, Schmuckplätten für Frauenkappe, Silber, Email).
Zu diesen Mustern lassen sich auch in der russischen Ornamentik keine Parallelen finden. Die Muster ähneln einander und befinden sich an den Rändern zweier silberner Zierscheiben für Frauenkappen.
Parallelen zu diesen Mustern gibt es am ehesten in der modernen chinesischen Ornamentik. Auch die Scheiben selbst kann man auf den chinesischen Spiegel zurückführen.
Dass die Chinesen grosse Meisterschaft in der Emailtechnik entwickelten, ist allgemein bekannt. Daher kann man aber annehmen, dass es sich bei diesen Mustern um Entlehnungen eher von den Chinesen als von den Russen handelt. Die Form einer in Emailtechnik gearbeiteten Blume (Tafel XII, Abb. 17, Perle in Zink oder Zinn mit Email) bestätigt diese Annahme. Sie ziert eine Perle, die aus einer Patronenhülse hergestellt wurde. Man vergleiche sie mit der chinesischen Blume (Abb. 71). Auch der asymmetrische Aufbau des ganzen Ornamentes entspricht nicht den russischen Mustern.
Andere aus Patronenhülsen hergestellte Perlen (Tafel XII, Abb. 18, Perle in Zink oder Zinn mit Email) haben nur ein eingeritztes Muster. Sie sind zwar symmetrisch, weichen doch deutlich von den jakutischen Mustern ab.
Die Frauenkappe (Tafel XIII, Abb. 6, Frauenkappe, Tuch, bestickt), ist aus einem Stück mit Silberfäden besticktem Stoff herausgeschnitten. Die viereckige Vorderfigur und die auf die Rückseite gehörende wurdem mit groben Steppstichen aufgesetzt und nicht wie bei allen anderen Kappen eingenäht. Sie bedecken ebenso wie die beiden Schmuckplättchen ohne Rücksicht auf das Muster den bereits bestickten Stoff. Das Ornament, bestehend aus Rosetten und Zweigen mit Blättern, zeigt dagegen in seinem Aufbau keinerlei Anbindung an die jakutische Tradition, und auch die Technik ist russisch.
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Frauenkappe
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Bei der in Seide und Brokat gestickten Satteldecke (Tafel XIII, Abb. 3, Satteldecke, Tuch, bestickt) haben sich russische mit jakutischen Motiven vermischt.
Satteldecke
Die Löwen, den Doppeladler und die Hähne kann man offenbar von russischen Motiven herleiten: Die Russen stellen ebenfalls Hahn und Löwen besonders häufig dar. Letztere findet man auf allen silbernen Satteln der Jakuten mit einem mythologischen Einhorn, einem ebenfalls typisch russischen Motiv, zusammen, das die Gestalt eines Pferdes hat. Den russischen gekrönten Doppeladler mussten die Jakuten als russisches Hoheitszeichen kennen lernen. Er prangte nicht nur auf den Münzen der Zarenzeit, sondern auch auf allen Schnapsflaschen, an den Läden, die das Staatsmonopol Schnaps verkaufen durften, den Apotheken und noch an vielen anderen Stellen.
Unter den Pflanzenmotiven auf der Satteldecke dagegen entspricht die eine Art der Blüten ganz den jakutischen Motiven, während die andere nicht aus einem Kelch mit quergestreifter Zwickelfüllung und Blätterkrone, sondern aus fünf Blütenblättern bestehend, wie ein Gänseblümchen im Profil wirkt. Aber auch diese Motive scheinen eine Abwandlung des sonst üblichen Blumenmotivs darzustellen. In der Figur in der Mitte, die den Doppeladler umrahmt, kann man das sonst auf den gestickten Satteldecken übliche Lyra-Motiv in leichter Veränderung wiedererkennen.
Am schwierigsten ist die Frage, inwieweit die freiere Gestaltung der Blattformen überhaupt erst durch die Berührung mit der Kunst der Russen verursacht wurde.
Die Blätter finden sich nur als Dreiblatt und in der Art wie auf (Abb. 38) unter den vorgeschichtlichen Funden Sibiriens. An den Ranken und den Seitenlinien wurde des Lyra-Motiv dagegen nicht abgebildet. Es ist durchaus möglich, dass auf den Schmiedearbeiten aus der Zeit vor Eintreffen der Russen sich ebenso wenige Blätter befanden wie auf den Holzarbeiten heutzutage und dass erst die Kenntnis der russischen Muster die Schmiede dazu anregte, die Blätter in grösserer Anschaulichkeit darzustellen. Parallelen zu dieser Anwendung der Blätter lassen sich in der russischen Volkskunst nicht nachweisen, jedoch mag die Anregung zum Variieren der Gestaltung von den Russen ausgegangen sein.
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Altaimuster
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Zusammenfassung
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Es erweist sich also, dass die jakutische Ornamentik zwei deutlich voneinander zu unterscheidende Arten von Motiven besitzt: geometrische und Spiral- und Pflanzenornamente.
Hölzerne Kumysgefässe und getöpferte Gegenstände zieren hauptsächlich geometrische Ornamente. Nur in Ausnahmefällen finden sich darauf Pflanzenmotive, während die Ranke, verbunden mit geometrischen Mustern, und das Widderhorn sehr häufig auf die hölzernen Dosen und Schachteln geritzt wurden. Der Grund für diese Beschränkung der Motive liegt zum Teil in den technischen Schwierigkeiten. Die Blüten und Blätter lassen sich viel schwerer auf Holz darstellen als eckige Linien. Eine einzelne Spirale neben geraden Linien kann noch eher abgebildet werden als die ausschliesslich gerundeten Formen und feinen Krümmungen der Pflanzenmuster. So ist es also bei den Jakuten zur Tradition geworden, die Schachteln, Kästen und Truhen wichtiges Gut aller Nomaden mit geometrischen und schlichten Spiralformen zu verzieren. Die Tabakdosen als russisches Lehngut weichen von diesem Prinzip ab.
Die Schmiede schmückten ihre Arbeiten mit Pflanzenornamenten. Die Ausführung dieser komplizierten Muster gelang ihnen in solcher Vollkommenheit nur, weil sie sich ihr Leben lang darin übten. Sie verwendeten auf weniger wertvollen Gegenständen auch schlichte Spiralmuster.
Auf den Stickereien, die hauptsächlich in dem sonst in Sibirien nicht bekannten Mossulstich ausgeführt werden, sind die runden Formen ebenfalls leichter abzubilden. Diese Arbeiten weisen daher Spiralornamente auf. Pflanzenmotive kommen auch hier selten vor und erreichen auf Stickereien nie die Gleichmässigkeit und Feinheit der Schmiedearbeiten.
Neben dieser Gebundenheit an das Material wird die Auswahl eines Ornaments auch noch durch das Gebot der Tradition insofern beschränkt, als auf gewisse Gegenstände gewisse Ornamente, z.T. sogar immer in einer bestimmten Technik ausgeführt, nur einmal gehören.
Die ältesten Motive sind offenbar die geometrischen. Viele kann man schon auf den Funden der frühesten Epochen der sibirischen Geschichte, 3000 2000 v. Chr., erkennen. Alle Zeichen, die Gestirne darstellen durchkreuzte Quadrate, Radkreuze und wirbelartige Figuren , gehören dieser Gruppe an.
Bis in die Zeit des 5. bis 3. Jahrhunderts v. Chr. lassen sich die Pflanzenmotive und Rankenformen in der Kunst der südsibirischen Nomadenvölker und damit auch der Jakuten zurückverfolgen. Zuerst erscheinen sie hier auf den Funden der Kurgane von Pazyryk im Altai, wo sie den Tierstil in seiner beherrschenden Rolle in der Kunst ablösen. Diese neue Kunstrichtung gelangte aus den Reichen des Vorderen Orients auf dem Weg über die Küste des Kaspischen Meeres zu den Südsibiriern.
Während sich beim ersten Kurgan diese Entwicklung erst langsam anbahnt, haben im zweiten die Pflanzenmuster die tierischen Gestalten schon weitgehend verdrängt. Vergleicht man diese Pflanzenmuster mit den im vorigen Jahrhundert von den Jakuten dargestellten Motiven, so zeigt sich eine nahe Verwandtschaft. Viele Muster aus Pazyryk gleichen sogar vollständig den jakutischen Zierformen. Auch gibt es kein Pflanzenmuster, das nicht seine Parallelen in der Ornamentik der Jakuten hätte. Besonderes Interesse verdient die Umgestaltung des im ersten Kurgan von Pazyryk ausserordentlich häufig dargestellten Kopfes des Argali. Offenbar handelt es sich um ein religiöses Symbol, denn auch heute noch gelten Schaf oder Kuh als Symboltiere der als weiblich imaginierten Erdgottheiten. Daraus liesse sich auch erklären, warum die Kopfbedeckungen der Frauen bei den meisten Viehzüchter-Nomaden Asiens mit Hörnern verziert werden. Im zweiten Kurgan erscheint das Motiv als Doppelspiralornament in lyraähnlicher Form und bleibt nach wie vor ein beliebte Zierart. Das häufigste unter den jakutischen Spiralornamenten hat die gleiche Lyra-Form.
In ihrer charakteristischen Ausprägung kannten am Ende des vorigen Jahrhunderts nur noch die Jakuten diese Ornamente. Die Lyra-Form kommt vereinzelt auch bei den Karakirgisen (Bergkasachen) und Kirgisen vor, ebenso die einfache Wellenranke. Sie sind aber nicht typisch für die Ornamentik dieser Völker.
Im Altai selbst kann man dieses Motiv nur bis zur Zeit um Christi Geburt zurückverfolgen. Bereits im Kurgan von Kuryge ca. 200 n. Chr. machte ein Wandel in der Kultur des Altai sich bemerkbar, der darauf zurückzuführen ist, dass eine neue, noch stärker mongolide Bevölkerung sich hier niederliess, während die bisherigen Einwohner aus ungeklärten Gründen weniger wurden.
In späterer Zeit, nämlich im 6. Jahrhundert n. Chr., finden sich Rankenornamente ähnlicher Art in der Nordmongolei, während das Lyra-Motiv zur Ornamentik der am Südende des Baikalsees im 6. bis 9. Jahrhundert ansässigen Ruan Ruan (Juan Juan Quryqan) gehörte.
- siehe auch bei Xiongnu 3. Jh. v. Chr. bis 4. Jh. n. Chr. Hsiung-nu - Xiongnu.
Die Ruan Ruan gelten als Vorfahren der Jakuten, die nach Norden wanderten und sich dort mit den ansässigen Paläosibiriern und Tungusen vermischten. Dort sollen sie vor dem 6. Jahrhundert gelebt haben. Nach den archäologischen Funden zu urteilen, können sie sich aber erst mit Beginn der Eisenzeit hier niedergelassen haben, also in den ersten Jahren unserer Zeitrechnung. Ihre Wanderung hat der Angara entlang abwärts geführt. Beweise für diese Vermutung sind nicht vorhanden. Man weiss nur, dass die materielle Kultur der Ruan Ruan derjenigen der Völker des Gebietes um Krasnojarsk ebenso wie jener im Altai- und Sajangebirge sehr ähnelte. Die Angara aufwärts aber gelangt man nicht nach Nordosten, nach Krasnojarsk, sondern mehr oder weniger direkt nach Norden. Verfolgt man dagegen den Weg zum Altaigebiet, so braucht man sich nur den Flüssen Ulug-Chem (Jennisei River) oder Bii-Chem oder Kao-Chem (Grosser und Kleiner Fluss - Oberer Jenissei anzuschliessen, die das Tannu-Ola-Gebiet (heutiges Tuwa) durchfliessen. Wenn man also die Ruan Ruan aus westlicher Richtung zuwandernd betrachten will, so entspricht es den natürlichen Gegebenheiten genau so gut, dass sie nicht von Nordwesten, sondern direkt von Westen gekommen sind. Die Vergleiche mit der Ornamentik der vorgeschichtlichen Funde lehren, dass die Jakuten als einzige heute noch auffallend ähnliche oder gar gleiche Ornamente verwenden wie die Bevölkerung des Altai im 5. bis 3. Jahrhundert v. Chr.
- Karte - Jennisei und Angara
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Auch die materielle Kultur der Jakuten gleicht derjenigen von Pasyryk, wenn man in Betracht zieht, dass die Schafe in den nördlicheren feuchteren Regionen unrentabel sind und daher nicht mehr gezüchtet werden, während das Rind nur in Gebieten mit reichlich Weideland gedeihen kann. Erst in letzter Zeit, nach dem Vordringen der Russen, wurde es neben dem Pferd in grösserem Masse gehalten. Alle diese Daten sprechen dafür, dass die Jakuten vor ihrem Aufenthalt am Südende des Baikals im Gebiet der Kultur von Pazyryk, also im Altaigebirge und seiner näheren Umgebung ansässig waren. Sie müssten mit anderen Worten vorher eine Strecke von ca. 900 km an einem Flusslauf zurückgelegt haben. Die klimatischen Bedingungen in beiden Gebieten sind ähnlich. Diese Strecke ist für Nomaden nicht sonderlich bedeutend, vor allem, wenn man bedenkt, dass der zweite Wanderweg der Ruan Ruan vom Baikal nach Jakutsk nahezu doppelt so lang war und in ein anderes Klimagebiet führte.
Eine Verwandtschaft der Pazyryk-Kultur mit den Jakuten und den Ruan Ruan, die sich in der Verwendung des gleichen Pferdezaumzeugs äussert, erscheint mit der Kultur von Minusinsk aus derselben Zeit enger zu sein.
Aus späterer Zeit stammt das Ornament der „Widderhörner“. Es taucht zuerst auf dem magischen Spiegel der Han-Zeit in China auf, wo es die Einteilung des Universums versinnbildlichte. Es setzte sich im Süden Chinas, in Indonesien, ebenso wie im Norden und Westen des Reiches, in Sibirien, als ausserordentlich häufig gebrauchtes ornamentales Symbol durch. Schon kurz nach Christi Geburt trat es hier sowohl auf den Spiegeln, die ein wichtiger Exportartikel Chinas waren, als auch als Ornament anderer Gebrauchsgegenstände auf. Auf dem runden Frauenbrustschmuck der Jakuten, der auf diese importierten Spiegel zurückgeht, befanden sich z.T. auch noch am Ende des vorigen Jahrhunderts die „Widderhörner“. Offenbar hatte das Ornament in Sibirien damals noch die gleiche Bedeutung wie in China.
Die Hunnen verzierten ihre Gebrauchsgegenstände besonders gerne mit diesem Motiv; über sie gelangte es vermutlich nach Osteuropa. Auch einige der Metallkessel der Hunnen tragen die gleichen Ornamente wie die jakutischen Kumysgefässe, die sich offenbar aus dieser Art von Muster bei Kesseln entwickelt haben.
- mehr Informationen über die Hunnen - Hun Hunnen Hun
Die letzte Periode der Entlehnung von Ornamentmotiven durch die Jakuten dauert bis in unsere Tage an. Sie kopieren einzelne moderne chinesische Muster neben zahlreichen Motiven der russischen Volkskunst. Wie die Pflanzenmotive der Pazyryk-Epoche kamen diese nicht als religiöse Zeichen zu ihnen, sondern sie übernahmen sie als zu einer höher stehenden Kultur gehörig meist zusammen mit den Gegenständen, auf denen sie abgebildet waren. Jedoch kann man die Zahl der nachgeahmten Ornamente im Verhältnis zu den anderen entlehnten Kulturgütern als gering bezeichnen. Dazu gehören Werkzeuge, Gewehre, städtische Holzbauten und sogar Gebete und die moderne, russische Schulbildung.
So erweist es sich, dass die Ornamentik eines der zähesten Elemente in der Kultur der Jakuten bildet, wenn es um primitive und Halbkulturvölker im Allgemeinen geht. Daher versteht sich, dass sich Motive aus sehr frühen Epochen, aus vorgeschichtlicher Zeit in der Ornamentik der Jakuten erhalten haben.
Noch eine andere Tatsache zeigt sich am Beispiel der jakutischen Ornamentik: Jedes Motiv hat seine Wurzel im Religiösen. Nicht alle Motive sind bei den Jakuten selbst als religiöse Sinnbilder entstanden, wie man das vom Lyra-Motiv annehmen kann, oder sind wie die Widderhörner noch als religiöses Sinnbild zu ihnen gekommen. Die Pflanzenornamente wurden von der wohlhabenden Klasse der Viehzüchter-Nomaden des 5. bis 3. Jahrhunderts v. Chr. offenbar nur als inhaltlose Imitationen des Wohlstands der Reiche des Vorderen Orients übernommen. Ähnlich verhält es sich mit den Entlehnungen der modernsten Zeit. Aber wenn man die Motive bis zu ihrer Entstehung im Ursprungsland zurückverfolgt, so muss man festhalten, dass auch sie sich aus den Lotusdarstellungen religiösen Symbolen entwickelt haben.
Ein besonderes Kennzeichen des Kunstempfindens der Jakuten ist die grosse Variationsbreite, in der die einzelnen Motive wiedergegeben werden. Kein Muster gleicht vollständig dem andere, wie das z.B. bei den mongolischen Burjaten, aber auch den Ostjaken gang und gäbe ist. Der Jakute versuchte immer, etwas Neues zu schaffen, obwohl er stets die gleichen von der Tradition vorgeschriebenen Grundmotive gebrauchte.
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- Sammlung von weiteren Ornamenten siehe auch Tafel I bis XIII |
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- Traditionelle (nationale) mongolische Trachten und Geschichte der traditionellen Kunst und des Kunsthandwerks in der Mongolei |
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© Albi, Ende November 2011 Korrekturlesen Januar 2012: Hermelinde Steiner
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